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II. Entwicklungslinien zur neuen Wissensordnung des Informationszeitalters






Auch dort, wo sie einst unangefochten gegolten haben mцgen wie im akademischen Sondermilieu – was natьrlich nicht heiЯen soll: uneingeschrдnkt, ohne Ausnahmen und Abweichungen -, sind die klassischen Regelungen durch die neueren Entwicklungen unter Druck gekommen. Der naturwissenschaftlich-technische Fortschritt hat Technikfolgen zweiter Art, welche die Verhдltnisse in Richtung auf nichtklassische Verhдltnisse verдndern und deren bereichsspezifische Gestaltung wesentlich mitbestimmen. Dabei zeichnen sich Entwicklungslinien ab, die nicht nur vom bisherigen Zustand weit wegfьhren, sondern neue Verhдltnisse schaffen, wenn keine anderen Vorkehrungen getroffen werden. Dafьr dьrfte es in manchen Bereichen mit vollendeten Tatsachen schon zu spдt sein. So ist das Telefongeheimnis des «in den Wind gesprochenen Wortes» vom wissenstechnischen Fortschritt aus den Angeln gehoben worden, auch wo es rechtlich weiterhin vorgeschrieben sein mag. Technisch ist es lдngst ausgehebelt.

Damit soll, nebenbei bemerkt, keinem Technikdeterminismus das Wort geredet, sondern lediglich auf die mit der modernen Technik besonders stark verbundene normative Kraft des Faktischen hingewiesen werden. Das ist die Regelungspotenz der Technikfolgen, die nicht aus Normen flieЯt, sondern sich aus den Tatsachen ergibt. Die groЯen technischen Entwicklungslinien sind nicht unvermeidbar, aber, einmal mit allen Folgen eingetreten, im Prinzip unumkehrbar. So sind Auto, Telefon, Fernsehen, Atombomben unabschaffbar geworden – ьbrigens hauptsдchlich als Folge des zugrunde liegenden Wissens, weil man dieses nicht mehr aus der Welt schaffen kann. DaЯ die Produkte des menschlichen Geistes – die Ideen und Theorien also – als Bestandtteile der «dritten Welt» bestдndiger sind als die materiellen Objekte (der «ersten Welt») und die mentalen Tatbestдnde (der «zweiten Welt»), wird von Popper (Popper K.R., Objective Knowledge, Oxford; Clarendon, 1972, Kap. 4) betont. Das technische Wissen wьrde sogar die selbst kaum machbare Abschaffung der technischen Artefakte ьberleben. Das ist einer der Grьnde fьr die geforderte wissensorientierte Technikgrundlagen– und Technikfolgenforschung.

Es gibt viele Wege in die Zukunft, aber keinen zurьck in die Vergangenheit, von kontrafaktisch stabilisierten rьckwдrtsgewandten Utopien abgesehen. Wenn wir die alte Wissensordnung (wieder) haben wollen, mьssen wir sie erhalten, wo sie noch besteht, oder neu schaffen. Der Versuche, den status quo ante wieder herzustellen oder wenigstens den status quo festzuhalten, wдre «das illusionдrste aller Ziele» (David Riesman, Die einsame Masse, Hamburg 1958, S. 318).

Unverдndertes Wieder-Holen ist unmцglich, und sei es auch nur, weil sich die Randbedingungen dieser Welt weiterentwickelt haben. Das gilt vermutlich nicht weniger fьr die zentralen Bestimmungen der Wissensordnung, die eben mitlaufen oder untergehen, wenn man den Dingen einfach ihren Lauf lдЯt. Wichtig fьr die Gestaltung der neuen Ordnung ist, daЯ die alte kognitive Matrix dafьr als ideen– und institutionengeschichtliche Vorlage verfьgbar bleibt, an der man die Entwicklungsprozesse und GestaltungsmaЯnahmen ausrichten kann.

Die alte Wissensordnung verдndert sich laufend. Darьber hinaus muЯ sie gestaltet werden und kann sie sogar untergehen. Aber sie darf unter keinen Umstдnden vergessen werden, wenn die Neue Wissensordnung mehr werden soll als eine ungestaltete Mischung aus Ordnungsrelikten der Alten Wissensordnung und allerlei Technikfolgen, einschlieЯlich punktueller politischer Interventionen aus aktuellen Anlдssen.

Als maЯgebliche, weitgehend autonome EinfluЯfaktoren sind im Hinblick auf die sich daraus ergebenden Technikfolgen erster und zweiter Art, getrennt oder verbunden, zu nennen:

– die Technisierung des Wissens (oder «Informatisierung» im wissenstechnischen Sinne), mit der elektronischen Datenverarbeitung als Vorreitertechnik, deren Auswirkungen ьber die Speicherung, Verarbeitung, Vernetzung, Verwaltung lдngst auf die anderen Schwerpunkte der Wissensordnungsproblematik ausstrahlen, darunter immer noch am wenigsten auf die Wissenserzeugung;

– die Kommerzialisierung von Wissensgьtern, insbesondere im auЯerwissenschaftlichen Bereich;

– die Globalisierung der Informationsstrцme, im nationalen und internationalen Rahmen, insbesondere im Geschдftsleben und bei den Massenmedien;

– teilweise als Reaktion darauf, aber im Endeffekt eher verstдrkend, die Privatisierung bestimmter Wissensarten oder Wissensbestдnde, einerseits von Datenwissen zur Abschirmung der «hцchstpersцnlichen» Privatsphдre gegen Informationseingriffe als erweitertes Persцnlichkeitsrecht, andererseits von kommerzialisierbaren, geldwerten Wissensgьtern zwecks Ausdehnung der Nutzungsmцglichkeiten als erweitertes Eigentumsrecht.

Im Trend der neuen Entwicklungen liegt nicht nur, beispielsweise, die Patentierung von Organismen oder der Handel mit menschlichen Organen. Auch das vom Bundesverfassungsgericht wenn nicht geschaffene so doch explizit ausgesprochene und inhaltlich ausgedehnte Recht auf informationelle Selbstbestimmung lдuft meines Erachtens, ohne die Dinge beim Namen zu nennen, de facto auf die Einrдumung eigentumsдhnlicher AusschluЯbefugnisse bezьglich der «eigenen» Daten hinaus, abgemildert durch natьrliche Grenzen (keine Vererbbarkeit) und praktische Schwierigkeiten (geringe Ьberschaubarkeit und beschrдnkte Kontrollierbarkeit).

Wie immer man diese Entwicklungen und Errungenschaften beurteilen mag, so entsprechen sie sicherlich nicht der Klassischen Wissensordnung, die weder Informationseingriffe und Abwehrrechte gegen bloЯes «Wissen ьber, von, fьr, zu» kennt noch цkonomisch verwertbares Informationseigentum, welches ьber die metaphorische Bedeutung der «geistigen Eigentьmerschaft» oder «Werkherrschaft» hinausginge.

Die praktische Bedeutung der damit ausgelцsten ordnungspolitischen Technikfolgen zweiter Art lдЯt sich u. a. daran erkennen, was allen vier Entwicklungen gemeinsam ist und zum Beispiel Kommerzialisierung und Privatisierung zumindest in diesem Punkt auf einen gemeinsamen, ziemlich kleinen Nenner bringt. Das ist die weitgehende Entbindung von wissenschaftlichen Richtigkeits– und Gьtekriterien fьr qualifiziertes Wissen, sei es aus Respekt vor der freien Meinung des Bьrgers oder mit Rьcksicht auf die Rechtsposition des Wissensbesitzers. Weder fьr die technische Verarbeitung durch den Computer oder fьr die цffentliche Kommunikation durch Medien noch fьr den privaten Gebrauch als freie Meinung oder die wirtschaftliche Verwertung durch den Markt muЯ Wissen wahr, wichtig, sinnvoll, ьbergeprьft oder sonstwie qualifiziert sein.

Zur alten, im akademisch-erzieherischen Bereich der Reinen Wissenschaft und Allgemeinen Bildung eingegrenzt fortlaufenden Theoretisierung des menschlichen Wissens nach griechisch-abendlдndischem Wissenschaftsprogramm sind damit gegenlдufige Entwicklungen auf breiter Front hinzugekommen, die neue Regelungen teils als implizite Neuordnung in den Technikfolgen zweiter Art mit sich fьhren, teils als ordnungspolitische Reaktion und bewuЯte GestaltungsmaЯnahme zwingend erforderlich machen.

Bereichsspezifische Regelungen werden bereits mit den ersten Ьbergдngen von der Theorie zur Praxis und Technik erforderlich, also mit dem Schritt vom «uninteressierten» klassischen Bildungswissen – wozu vor allem das Theorienwissen der Reinen Wissenschaft gehцrt – zum zielgerichteten Handlungswissen fьr die Praxis und zum zweckbezogenen Herstellungswissen der Technik. Hinsichtlich seiner nichtklassischen Ordnungsverhдltnisse nahe kommt letzterem das kommerzialisierte Wissen der Informationsgьter und -mдrkte, also Wissen als Produktivkraft und Konsummittel.

Insgesamt betrachtet, handelt es sich hier teils um bereichsspezifische Technikfolgen und Reaktionen darauf – wie beim Datenschutz, der bereits wieder sorgfдltig eingehegt wird -, teils um «durchlaufende» Kategorien, welche auf alle Bereiche ausgreifen und ihre Neuordnung prдjudizieren, wenn ihnen nicht entgegen gewirkt wird. Hier zeichnet sich bereits der ordnungspolitische Pluralismus der neuen Verhдltnisse ab, mit unterschiedlichen Bereichsordnungen fьr gesonderte Wissensbereiche, die sich mit den grцЯeren Informationssektoren der Gesellschaft ungefдhr decken.






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