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Eine biblische fundierte Vision von evangelischer Kirche in einer multikulturellen Gesellschaft






Was ist der Sinn dieser Erinnerungen an vier evangelischen Eigenheiten? Mit der Erinnerung an diese Eigenheiten wollte ich umschreiben, was evangelische Identitä t ausmacht und verdeutlichen, welche Kraft unsere evangelische Identitä t fü r das Leben in unserer Gesellschaft entwickeln kann, wenn wir denn diese Eigenheiten selbstbewuß t in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen. Ging es also im 1. Teil meines Referats um eine Skizzierung der Mulitikulturalitä t unserer Gesellschaft, im 2. Teil um eine Klä rung evangelischer Identitä t, die zur Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs befä higt, so mö chte ich nun im 3.Teil meines Referates in etwas assoziativer Form andeuten, wie sich aus dem Gesagten und von biblischen Erinnerungen her eine Vision evangelischer Kirche in der multiulturellen Gesellschaft ergibt:

1. „Gehet hin“ (Mt 28, 19), mit diesen Worten Jesu endet das Matthä usevangelium. Wie viele Impulse zu missionarischem Handeln wurden aus diesem sog. Missionsbefehl Jesu gezogen! Aber dennoch haben uns diese Worte Jesu nicht davor bewahrt, uns als Kirche weithin einzurichten und auf das Kommen der Menschen zu warten. Kirche muß aber in dieser multikulturellen Gesellschaft wieder gehende Kirche werden. Sie muß neu lernen, zu den Menschen mit ihren unterschiedlichen kulturellen Prä gungen hinzugehen, ihnen nachzugehen. Sie muß aufsuchende Kirche werden. Dies kann sie aber nur, wenn sie Berü hrungsä ng­ste gegenü ber der Welt abbaut und sich einlä ß t auf die Menschen, deren Lebensstil und kulturelle Prä gung und auf ihre religiö sen Erwartungen, die immer neu entschlü sselt werden mü ssen.

2. „Ihr seid die kö nigliche Priesterschaft“ (1 Petr 2, 9), stellt der Verfasser des 1. Petrusbriefes fest. Damit sind alle Glieder der Kirche angesprochen, und dies mag nnochmals daran erinnern, daß es nach protestantischem Selbstverstä ndnis eine wesenhafte Unterscheidung zwischen Priestern und Laien nicht geben kann. Evangelische Kirche der Zukunft muß die de facto in ihr vorhandene falsche Hierarchie zwischen Priestern und Laien ü berwinden und das Priestertum aller Glaubenden neu einü ben. Sie muß bewuß t machen, daß alle Glä ubigen zum Auftrag und Dienst in der Welt berufen sind, daß alle Glä ubigen etwas weitergeben kö nnen von der Wirklichkeit Gottes, die menschlichem Leben eine andere Tiefendimension und Ausrichtung gibt. Nicht durch theologisches Expertenwissen wird Gottes Wirklichkeit als eine helfende, zurechtbringende, ausrichtende Wirklichkeit erfahrbar gemacht, sondern durch das Glaubenszeugnis der Priesterschaft des ganzen Gottesvolkes.

3. „Wir sind durch einen Geist zu einem Leib getauft“ (1 Kor 12, 13). Immer wieder bemü ht Paulus das Bild des Leibes, um zu beschreiben, daß Kirche nur Kirche Jesu Christi sein kann, wenn sie gabenorientiert denkt und handelt. In der Erkenntnis, daß alle Christen Gaben besitzen, die sie in die Gestaltung der Kirche einbringen kö nnen, liegt zugleich ein kritisches Korrektiv gegenü ber manchen kirchlichen Ordnungs- und Machtstrukturen, die es natü rlich in unserer Kirche geben muß, die aber begrenzt und gabenorientiert gestal­tet werden mü ssen. Nicht die Frage „Wer darf hier was tun? “ darf leitend sein, sondern die Frage „Wer kann was am besten tun? “ muß die Ordnung unserer Kirche gestalten helfen. Wir kö nnen der multikulturellen Gesellschaft nur begegnen, indem wir multicharismatisch denken und handeln lernen.

4. „Lasset die Kinder zu mir kommen“ (Mk 10, 14), dieses Wort Jesu haben wir zwar fü r unsere kirchliche Taufpraxis in Anspruch genommen, aber lä ngst noch nicht in seiner Grundsä tzlichkeit fü r unser Kirchesein eingelö st. Kirche aus der Perspektive von Kindern zu entwickeln, kirchliches Leben so zu gestalten, daß Kin­der nicht nur geduldet sind, sondern daß ihr Glauben, ihre Frö mmigkeit, ihr Lachen, ihre Dankbarkeit, kurz: ihre Gaben, durchgä ngig hineinwirken in die Gemeinschaft der Glaubenden, das steht als Aufgabe an. Kindgerechte, kinderfreundliche, auf Kinder hö rende, von den Kindern lernende Kirche zu werden, das wü rde uns befreien von mancher Verengung, von mancher Denklastigkeit und von mancher Verkopfung, die unser kirchliches Leben prä gt. Dies wü rde auch deutlich dem Miß verstä ndnis wehren, als ginge es beim christlichen Glauben um eine Form des Wissens. Von den Kindern kö nnen wir in ganz besonderer Weise lernen, daß Religion eine Sache des Herzens ist.

5. „Ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Haus“ (1 Petr 2, 5), fordert der Verfasser des 1. Petrusbriefes und entwickelt damit das Modell der Kirche als eines Hauses der lebendigen Steine. Ein Haus hat Zimmer, Tü ren und Fenster. So steht das Haus als Symbol fü r eine hö chst kommunikative Einheit, denn innerhalb eines Hauses kann man nicht zusammenleben, ohne miteinander zu kommunizieren. Und ohne Fenster und Haustü ren wä re man im Haus gefangen - ohne Kontakt zur Auß enwelt. Als Haus der lebendigen Steine muß Kirche die Binnenkommunikation verbessern, wenn sie von ihren MitarbeiterInnen, den lebendigen Steinen, als eine gegliederte Einheit erfahren werden soll, und sie muß die Auß enkommunikation verbessern, wenn sie als ein einladendes Haus wahrgenommen werden will. Welche Informationsverluste nehmen wir eigentlich tä glich fahrlä ssig in Kauf! Und welches Signal setzen wir eigentlich jeden Tag neu mit den verschlossenen Tü ren an evangelischen Kirchen! Kirche als Haus der lebendigen Steine muß zu einer Kirche mit einer geregelten und eingeü bten Binnen- und Auß enkommunikation werden. Bei der Gestaltung der Auß enkommunikation wird es darauf ankommen, daß wir auch fremden Wahrheitsansprü chen anderer Kulturen und Religionen Achtung entgegenbringen, daß wir in diesem Diskurs das Ich-Sagen lernen: eigene Wahrheitsgewiß heit ist Voraussetzung fü r ein fruchtbares Gesprä ch, daß wir damit rechnen, auch in den Diskurspartnerinnen und - partnern eine prophetische Stimme zu vernehmen, die unsere eigene Wahrheitsgewiß heit berü hrt, daß wir lernen, auch die Differenzen zwischen Kulturen und Religionen auszuhalten und zu akzeptieren.

6. „Hier ist nicht Jude noch Grieche, denn ihr seid allesamt einer in Christus“ (Gal 3, 28), dieser Kernsatz des Paulus aus dem Galaterbrief deutet an, daß in der Kirche als der Gemeinschaft der Gerechtfertigten das Verschiedensein der Verschiedenen in einem doppelten Sinn aufgehoben ist. Kirche wird Zukunft nur gewinnen, wenn sie lernt, mit dem Verschiedensein ihrer Mitglieder anders umzugehen als mit dem bisher oft praktizierten Modell der Ausgrenzung, wenn sie also binnenkirchlich das zulä ß t, was sie gesamtgesellschaftlich im Diskurs einfordert. Wir mü ssen uns - im Wissen um unser gemeinsames Angenommensein bei Gott - viel mehr Verschiedensein, viel mehr Pluralitä t bei gleichzeitigem Ringen um das Einssein zumuten, und dies gilt auch und ganz besonders im ö kumenischen Kontext. Kirche der Zukunft muß innerkonfessionell wie interkonfessionell ein Profil der Vielfalt entwickeln, sie muß sich Erfahrungen des ö kumenischen Lernens aussetzen, wenn sie Kraft zu einem glaubwü rdigen Zeugnis gewinnen soll.

7. „Sie blieben aber bestä ndig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet...und hatten alle Dinge gemeinsam“ (Apg 2, 42.44). Von ihren Anfä ngen her war und ist Kirche eucharistische Kirche, d.h. eine Kirche, die in der Feier des Abendmahls nicht nur ihr Zentrum hat, sondern die vom Abendmahl her alle Bereiche des Lebens in den Blick nimmt. Eucharistische Kirche ist eine Kirche, in der die Trennung von Gottesdienst und Weltdienst, von Sonntag und Alltag, von Abendmahl und sozialem Tun aufgehoben ist. Das am Tisch des Herrn geteilte Brot ist dasselbe, das im tä glichen Leben miteinander geteilt wird, das Brot ist zugleich Leib des Herrn und Frucht der menschlichen Arbeit. Gottesdienst und soziales Tun, Kampf und Kontemplation, Gebet, Rü ckbesinnung auf die Lehre der Apostel und Weltzugewandtheit gehö ren in einer eucharistischen Kirche untrennbar zusammen. Diese Perspektive einer eucharistischen Kirche muß wiedergewonnen werden, wenn Kirche nicht zu einem Club weltabgewandter „Heiliger“ und die Welt nicht der Heillosigkeit anheimgegeben werden soll.

8. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukü nftige suchen wir“ (Hebr. 13, 14), mit diesen Worten erfaß t der Hebrä erbrief die Kirche als das wandernde Gottesvolk, das in der Nachfolge Jesu Christi auf dem Weg ist durch die Zeiten hin zum verheiß enen Ziel des Gottesreiches. Jede Vision von Kirche muß wissen um die Unterscheidung von „Letztem“ und „Vorletztem“, d.h. sie muß wissen darum, daß das verheiß ene Ziel Gottes nicht die Kirche selbst ist, sondern Gottes Reich der Gerechtigkeit und des Friedens. Deshalb darf Kirche sich nie zum Selbstzweck machen, sondern muß in all ihrem Tun auf das verheiß ene Ziel Gottes verweisen und damit ü ber sich selbst hinausweisen. Hä ngt manche Verbissenheit, mit der wir kirchliche Planung betreiben, nicht vielleicht auch damit zusammen, daß wir dieses weite Ziel aus den Augen verloren und das Unterwegssein zugunsten eines Sich-auf -Dauer-Einrichtens aufgegeben haben? Die Vorlä ufigkeit von Kirche wiederzuentdecken und ernstzunehmen, ist deshalb das Wichtigste beim Entwickeln von Visionen der Kirche.

Zusammenfassend nun meine aus realen biblischen Impulsen entwickelte Vision von Kirche, die ich in vier Glaubenssä tzen formuliere: Ich glaube eine die Menschen aufsuchende Kirche, in der die falsche Hierarchie zwischen Priestern und Laien ü berwunden und das Priestertum aller Glaubenden neu einge ü bt wird. Ich glaube eine Kirche, in der die Orientierung an den Gaben der Einzelnen wichtiger ist als die Erhaltung von Ordnungs- und Machtstrukturen und die deshalb auch eine von den Kindern lernende Kirche sein kann und die in ö kumenischer Offenheit ein Profil der Vielfalt entwickelt. Ich glaube eine Kirche, die als ein Haus der lebendigen Steine eine Kirche mit einer geregelten und eingeü bten Binnen- und Auß enkommunikation ist und in der als einer eucharistischen Kirche die Trennung von Gottesdienst und Alltag ü berwunden wird. Und ich glaube eine Kirche, die als wanderndes Gottesvolk niemals ihre Vorlä ufigkeit und ihr Ausgerichtetsein auf Gottes Reich des Friedens und der Gerechtigkeit vergiß t.

Ich bin ü berzeugt daß in solchem Glauben evangelische Kirche in einer multikulturellen Gesellschaft selbstbewuß t wirken und Zukunft mitgestalten kann.

 

 






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