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Violetter Nagellack und eine Hauptrolle in einem Film






 

 

 

Es ist Mittag. Ich habe kein Fieber mehr. Nur noch erhö hte Temperatur. Niesen muss ich auch nicht mehr. Die Ilse liegt in ihrem Bett. Sie schlä ft. Ihre Zehen schauen unter der Bettdecke hervor. Auf den Zehennä geln ist vio­letter Lack. Vielleicht schlä ft die Ilse gar nicht wirklich. Vielleicht tut sie nur so.

 

Die Mama und der Kurt sind bei der Polizei. Sie mü ssen melden, dass die Ilse zurü ck ist.

Der Kurt hat gesagt, es wird einen Prozess geben. Einen Prozess gegen diesen Erwin. Weil die Ilse minderjä hrig ist. Das wird alles sehr unangenehm werden, hat er gesagt. Die Mama hat gejammert, sie kö nnte den Kerl umbringen. Zu­erst macht er sich an die Ilse heran und dann verschwin­det er noch!

Dieser Erwin muss wirklich ein gemeiner Kerl sein! Er hat sich einfach aus dem Staub gemacht! Hat die Ilse zur Grenze gebracht und dort im Restaurant sitzen gelassen. Wahrscheinlich wollte er dem Kurt und der Mama nicht begegnen.

Bevor der Kurt und die Mama zur Polizei gegangen sind, haben sie darü ber geredet, ob die Ilse in ein Internat kommt. Der Kurt war dagegen. Die Mama dafü r.

 

Die Zehen mit den violetten Nä geln haben sich eben be­wegt. Ich habe leise „Ilse" gerufen, aber sie hat mir keine Antwort gegeben. Wahrscheinlich hat sie sich bloß im Schlaf bewegt. Sie wird mü de sein. Heute, in der Nacht, hat sie noch sehr lange mit mir geredet. Stundenlang. Sie wollte mir alles erklä ren.

Der Erwin, hat sie gesagt, ist der Cousin der Amrei. Und sie war wirklich mit der Amrei nach London unterwegs, doch irgendwo haben sie die Fahrkar­ten verloren. Da hat die Amrei den Cousin angerufen und der hat sie abgeholt. Und hä tte ihnen eine noch viel besse­re Stelle als Kindermä dchen verschafft. In Rom. Bei einem Grafen. In einem Palais.

Ich habe so getan, als ob ich alles glaube.

Dann hat die Ilse weitererzä hlt: In Florenz hat sie einen Mann kennen gelernt, der macht Filme und ist von ihr begeistert. Demnä chst wird er in unsere Stadt kommen, um von ihr Probeaufnahmen zu machen. Wenn die gut sind, bekommt sie eine Hauptrolle in einem Film.

Auch dazu habe ich eifrig genickt.

Sogar mein Ehrenwort habe ich gegeben, dass ich nichts weitererzä hle!

Es ist drauß en schon wieder hell geworden, da hat die Ilse endlich mit ihren Zirkusdirektorgeschichten aufgehö rt.

„Und bleibst du jetzt da? ", habe ich sie gefragt. „Lä ufst du jetzt bestimmt nicht mehr weg? "

Sie hat sich im Bett aufgesetzt und hat gesagt: „Im Moment schon. Aber wenn wir dann den Film drehen, dann hä lt mich nichts mehr, gar nichts mehr, dann gehe ich - fü r immer! "

 

Wenn ich bloß wü sste, was ich tun soll.

Jetzt sind die Zehen mit den violetten Nä geln unter der Bettdecke verschwunden.

Ich habe Angst. Nicht nur um die Ilse. Ich habe um uns alle Angst.

 






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