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Das Wissenschaftliche in der Technik






(Zur Genesis des neueuropä ischen Typs der Rationalitä t)

 

Was ist Technik? Worin besteht ihr Wesen? Hat sie ihre eigene metaphysische Dimension? Oder kann diese Technik ausgehend von ihrer empirischen Gegebenheit, das heiß t als Gesamtheit von Werkzeugen, Apparaten und Maschinen, die als Mittel zur Realisierung der Ziele der Menschen dienen, begriffen werden?

Auf diese Fragen werden verschiedene Antworten gegeben. Versuche, das Wesen der Technik ausgehend von bestimmten metaphysischen Begrü ndungen aufzudecken, sind fü r O. Spengler, E. Jü nger, G. Freier, M. Scheler, M, Heidegger und H. Ortega-i-Gasset bezeichnend: sie alle plä dieren fü r die jeweilige spekulativ-philosophische Deutung des Phä nomens der modernen Technik. In der letzten Zeit kam jedoch eine kritische Einstellung zu spekulativen Definitionen des " Wesens der Technik" auf, verstä rkt sich der Protest gegen die Konstruierung dieses " Wesens" a priori, In diesem kritischen Geist ist das von S. Moser und H. Lenk herausgegebene Buch " Techne, Technik, Technologie" 1 geschrieben.

" Die moderne Technik ist daher ein autonomes Gebilde der neuzeitlichen Geschichte wie Wissenschaft und Kunst", - schreibt S. Moser. " Sie ist nicht bloß eine Summierung von Einzelverfahren. Diese sind vielmehr Konkretionen dieses autonomen und universalen Prozesses. Und doch kann dieser ihr universaler Charakter nicht aus einer Geschichtsmetaphysik deduziert werden. Technische Einzelphä nomene wie das Verfahren, die Maschine, der Apparat kö nnen und mü ssen auch einer philosophlsch-phä nomenologischen Analyse untergezogen werden, um die Technik im ganzen zu verstehen, deren Wesen aber trotzdem nicht aus solchen Einelanalysen induktiv gewonnen werden kann".2 H. Lenk tadelt die spekulative Methode der Auffassung der Technik und betont: " Technik ist kein einheitliches, durch intuitive Wesensschau zu erfassendes Idealobjekt".3

Eine solche kritische Einstellung hat ohne Zweifel ihren Sinn. Bevor der Begriff der Technik formuliert werden kann, ist sowohl eine konkrete Analyse verschiedener Arten des technischen Instrumentariums und der Formen der ingenieur-technischen Tä tigkeit, als auch eine soziokulturelle Untersuchung der ganzen Gesamtheit dessen erforderlich, was Voraussetzung und Produkt dieser Tä tigkeit darstellt. Mit einem Wort: um eine Wissenschaft ü ber die Technik aufzuziehen, ist die Vereinigung gemeinsamer Anstrengungen nicht nur der Philosophen, Soziologen und Kulturologen, sondern auch der philosophisch gebildeten Ingenieure erforderlich. Andernfalls lassen sich ideologische Schablonen bei der Beurteilung der Technik kaum vermeiden. Als eine Schablone dieser Art kann die Feststellung Spenglers dienen, das Wesen der Technik sei Krieg. Von einem Urkrieg frü her Tiere fü hre derWeg, wie Spengler behauptet, zu modernen Erfindungen und Ingenieuren; von der Urwaffe - der List- zu Konstruktionen von Maschinen, mit deren Hilfe heute der Krieg gegen die Natur ausgefochten werde.4 Diese abstrakte Feststellung ist lediglich die Ausdehnung des Ausgangsprinzips der Philosophie von Spengler auf das Gebiet der Technik: der Kampf, der Krieg sei die Grundlage des ganzen Seins. Dieser Kampf sei das Leben, ausgerechnet im Sinne Nietzsches: ein Kampf, der aus dem Willen zur Macht resultiert, ein grausamer, unerbittlicher und gnadenloser Kampf.5

Ein weiteres Beispiel eines solchen abstrakt-spekulativen Herangehens ist die von H. Beck vorgeschlagene Definition der Technik: sie sei eine Verä nderung der Natur durch den Geist.6 Beck erlä utert den Sinn dieser Definition und prä zisiert, die Technik sei ein Viertaktrprozeß des Austritts aus sich selbst und des Eintritts in das Andere: l) die Natur tritt aus sich selbst und tritt in den Geist ein; 2) der Geist tritt aus sich selbst und tritt in die Natur ein; 3) die Natur tritt aus sich selbst und tritt in sich selbst ein; 4) der Geist tritt aus sich selbst und tritt in sich selbst ein.7 Ein solches abstraktes Schema wird kaum verstehen helfen, was die moderne Technik ist.

Wie ich glaube, ist fü r das Verstä ndnis des Wesens der modernen Technik die Untersuchung ihrer Genesis wichtig. Denn die Schaffung technischer Vervollkommnungen ist zwar ein Wesenszug der menschlichen Natur in allen Perioden ihrer historischen Existenz, doch unterscheidet sich die Technik der letzten zwei Jahrhunderte qualitativ (und nicht nur quantitativ) von der Technik vorindustrieller Gesellschaften. Die wichtigste Besonderheit der neueuropä ischen Technik ist deren organische Verbindung, ja sogar Verstrickung mit der Wissenschaft, mit der experimentell-mathematischen Naturkunde. Eine solche Verstrickung kannten die traditionellen Gemeinschaften des Altertums und des Mittelalters ü berhaupt nicht. Bezeichnend ist, daß selbst das Wort " Teсhne", von dem unser Begriff Technik herrü hrt, seinen Ursprung im antiken Griechenland hat, wo es die " Kunst" in weitem Sinne bezeichnete, das heiß t alles, was mit den Hä nden des Menschen geschaffen worden war. Die alten Griechen machten einen strikten Unterschied zwischen der Natur und der Kunst, zwischen der Umwelt, wie sie an sich existiert, und dem Bereich der Artefakte, die heutzutage als die " zweite Natur" bezeichnet werden. Mit diesem Unterschied hing die Gegenü berstellung der Wissenschaft ü ber die Natur einerseits und der Mechanik andererseits zusammen, obwohl bekannt ist, daß bereits Archit (5. Jahrhundrt v.u.Z.) mathematische Aufgaben unter Verwendung mechanischer Mittel gelö st hat, wä hrend wir im Zeitalter des Hellenismus - bei Archimedes - die Aufarbeitung der Statik, eines Bereichs der Mechanik, beobachten kö nnen. Und dennoch hat es die Mechanik als eine Wissenschaft ü ber die Natur bis zum 12. Jahrhundert nicht gegeben. Die Wissenschaft der Physik betrachtet - laut Aristoteles - die Natur Dinge, deren Wesen, Eigenschaften und Bewegungen; die Mechanik aber ist eine Kunst, die gestattet, Werkzeuge fü r solche Handlungen herzustellen, denen die Natur nicht gewachsen ist. Als die Kunst der Herstellung von Maschinen kann die Mechanik die Erkenntnis der Natur durch nichts Wesentliches ergä nzen, denn sie hat nicht mit dem, was in der Natur existiert, sondern damit, was in der Natur fehlt, zu tun; sie ist ein Mittel, nicht um die Natur zu erkennen, sondern um sie zu ü berlisten.8

Die Entstehung der Mechanik als einer Wissenschaft ü ber die Natur im 17. Jahrhundert hatte als Voraussetzung die Ü berwindung der antiken und mittelalterlichen Konfrontation des Natü rlichen und des Kü nstlichen. Sowohl diese Voraussetzung als auch der daraus folgende Schluß (die Wissenschaft der Mechanik und die experimental-mathematische Naturkunde ü berhaupt) ü bten auf die Entstehung der neueuropä ischen Technik einen entscheidenden Einfluß aus.

Bei der Beantwortung der Frage nach dem Ursprung der modernen Technik wenden sich manche Forscher der mittelalterlichen Kultur zu. D. Brinkmann ist beispielsweise ü berzeugt, daß die Sä kularisierung der Idee der Rettung, die den Kern des Christentums bildet, die geistige Quelle des " technischen Booms" ist. Das Wesen der Technik besteht nach Brinkmann aus einer irrationalen geistigen Triebkraft, die in allen Konstruktionen und Erfindungen steckt und sich zugleich offenbart, „wie rationell und zweckmä ß ig sie auch aussehen mö gen“.9 Hier kann man nicht umhin, an Max Jeher zurü ckzudenken, der in der protestantischen Ethik eine der wichtigsten Voraussetzungen der Entwicklung des Kapitalismus in Europa gesehen hat.

Ein anderer Erforscher der Technik - der katholische Phi­losoph F. Dessauer- sucht ebenfalls im Christentum den Ursprung der neuen Technik und ist der Meinung, daß sie aus dem Wunsch des Menschen der christlichen Kultur hervorgegangen ist, die gö ttliche Schö pfung fortzusetzen.10

Unbestreitbar spielte das Christentum eine wichtige Rolle sowohl bei der Vervollkommnung der Technik11 als auch in in der Schaffung einer neuen Motivation, die den Aufstieg auf dem Gebiet technischer Erfindungen sowie deren praktische Anwendung fö rderte. Kaum weniger wichtig war jedoch fttr die Geburt der neuen Technik der Umstand, daß gerade die christliche Religion und Theologie bei der ü berbrttckung des Abgrunds zwischen dem Natü rlichen und dem Kü nstlichen, zwischen der Natur und der Technik halfen, eines Abgrundes, wie er in alten Kulturen bestand. Bekanntlich definierte Aristoteles als natü rlich das, was " den Beginn der Bewegung und der Ruhe beinhaltet".12 Fü r die christliche Theologie paß t eine solche Definition nicht: da die Natur eine Schö pfung Gottes ist, liegt der Beginn ihrer Bewegung und ihrer Ruhe nicht in ihr selbst, sondern im Schö pfer. Ein Denker des Mittelalters machte natü rlich auch einen Unterschied zwischen dem Natü rlichen und dem Kü nstlichen, erblickte jedoch diesen Unterschied nicht dort, wo ihn ein Wissenschaftler und Philosoph der Antike gesehen hatte.

Fü r die Scholastik liegt es auf der Hand: natü rlich ist das, was der unendliche Schö pfer hervorgebracht hat, kü nstlich ist das, was der Mensch, ein endlicher Schö pfer, hervorbringt. Ä hnlich wie der Bau eines Hauses oder die Anfertigung eines Kleides durch die entsprechende " Idee" im Bewuß tsein des Menschen vermittelt wird, setzt die Schaffung einer Pflanze, eines Tieres oder des Menschen die entsprechende Idee im gö ttlichen Verstand voraus. Sowohl Mensch als auch Gott brauchen dabei wirkende, das heiß t mechanische Ursachen fü r die Realisierung der eigenen Ideen. Die Scholastik, insbesondere angefangen mit dem 19. Jahrhundert, sucht nach wirkenden Grü nden dort, wo die antike Physik auf zielgebundene Grü nde hingewiesen hat. Jean Buridan behauptet in seinen " Questiones" und seinen Kommentaren zur " Physik" beispielsweise, daß in der natü rlichen Welt zielgebundene Ursachen nicht wirken und die natü rliche Verbindung zwischen den Erscheinungen lediglich durch wirkende Ursachen bestimmt wird.13 Wie wir sehen, beginnt bereits hier die Kritik der objektiven Theologie von Aristoteles, die durch die Physik des 17. und 18. Jahrhunderts vö llig verworfen worden ist.

Das war ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Ü berwindung von Unterschieden zwischen dem Kü nstlichen und dem Natü rlichen, was eine Voraussetzung der aristotelianischen Philosophiewar.Derartige Gedankengä nge bereiteten eine Vorstellung von der Welt als von einer Maschine (machina mundi) vor, die den prä zisen Naturwissenschaften, vor allem der Mechanik, zugrunde gelegt wurde. Bei ihren Schö pfern wie Galilei und Descartes finden wir wichtigste Voraussetzungen der modernen Technik. Eine dieser Voraussetzungen ist das Experiment, ohne das die neue Naturwissenschaft undenkbar wä re; nicht von ungefä hr kö nnen Galilei, Newton, Hooke und andere hervorragende Experimentatoren gleichzeitig auch groß e Erfinder genannt werden. Ein Experiment ist immer eine Erfindung, die Materialisierung einer gewissen Idee, die sich durch ein Experiment aus einer Hypothese in eine Theorie verwandelt.

Natü rlich darf man den Unterschied zwischen dem wissenschaftlichen Experiment und der eigentlichen technischen Erfindung nicht ü bersehen. Die letztere verfolgt ein praktisches Ziel, wä hrend, die Bestimmung eines Experiments theoretisch ist: das Experiment dient als Mittel zur Bestä tigung der Richtigkeit einer bestimmten theoretischen Vermutung, das heiß t setzt sie die Erkennung der Natur zum Ziel.[79] Aber dieser Unterschied der Ziele darf vor uns die technische Natur des Experiments nicht verbergen, die, was sehr wichtig ist, mit der Mathematisierung der Naturwissenschaften zusammenhangt.

Galilei nimmt zum ersten Mal die mathematische Begrü ndung der Physik konsequent vor, dabei nicht als bedingt-hypothetisch, wie es in der antiken und mittelalterlichen Astronomie der Fall gewesen ist (das Prinzip der " Rettung der Erscheinungen"). Er hat die Auffassung der wissenschaftlichen Rationalitä t in Anwendung auf die Physik wesentlich umgestaltet. Wie M. Klavelin feststellt, betont Galilei die unzahligen Vorteile, die sich aus der Identifizierung des Beweises in der Physik mit dem mathematischen Beweis ergeben.[80] Bei Galilei bedeutet die Erklä rung die Umwandlung eines physikalischen Problem in ein mathematisches; das letztere wird sodann mit Mitteln der Mathematik gelö st. Das gestattet, den aus einem einzigen Beispiel gewonnenen Schluß folgerungen eine Universalbedeutung zu verleihen. Galilei betrachtet beispielsweise die parabolische Flugbahn eines Artilleriegeschosses als einen Einzelfall der Bewegung des Korpers in einer horizontalen Ebene, der sodann nach unten – unter Beibehaltung der im Horizontalflug erlangten Trä gheitskraft - fä llt. Dasselbe Prinzip wendet der Gelehrte auch auf die Bewegung eines Kö rpers an, der nach oben geschleudert wird, ohne von neuen Annahmen Gebrauch zu machen, wie es die Physiker der Schule Buridans gemacht haben. Die von Galilei realisierte Geometrisierung des Beweises gestattet es, dem physikalischen Beispiel eine Allgemeinheit zu verleihen, die es sonst nicht haben kann. Denn es bietet sich die Mö glichkeit, physikalische Faktoren, die jedes Mal anders sind, zu ü bersehen. Statt der physischen Bewegung analysiert Galilei das von ihm konstruierte mathematische Modell. Diese – in der Regel gedankliche – Konstruktion trä gt bei ihm die Benennung " Experiment". Wie Dr. W. Gorokhov aufzeigt, steht fü r Galilei " ein mathematisches Objekt (beispielsweise der Punkt) immer nicht nur mit dem physischen Objekt (einem physischen Kö rper, beispielsweise, einem Stein) in Wechselbeziehung, sondern auch mit dem kü nstlich geschaffenen technischen Objekt (beispielsweise, einer Kanonenkugel) ... Das Experimentalobjekt trat bei ihm als eine Ingenieur-technische Realisierung eines idealen Objekts auf, das im voraus in der Theorie gebaut worden war. Auf diese Weise hat Galilei erstmalis einen neuen Stil des Ingenieur-technischen Denkens klar formuliert..." [81] Hinzu kommt, daß die dritte Komponente - das kü nstlich geschaffene Objekt - gleichsam als Mittler zwischen dem ersten und dem zweiten Objekt dient: gerade dieses Objekt verwandelt das physische Objekt in ein idealisiertes Objekt,

Die Technik erweist sich somit als eingeschlossen in das Herzstü ck der neueuropä ischen Naturkunde; im Bü ndnis mit der Mathematik dient sie als Voraussetzung einer neuen Rationalitä t, deren wichtigste Parameter Genauigkeit und Berechnung sind. Wie P. Rapp mit Recht feststellt, „unterscheiden sich die „kü nstlich“ hervorgerufenen Phä nomene nicht grundsä tzlich von spontan ablaufenden „natü rlichen“ Prozessen: zwischen beiden besteht ein stetiger Ü bergang, wobei insbesondere zu beachten ist, daß sich spontane Naturprozesse auch experimentell herbeifü hren lassen“.[82] Selbst die Realitä ten, die von der modernen Physik studiert werden, entstehen in einem gewissen Maß e mit Hilfe technischer Apparaturen, weshalb es nicht immer leicht ist zu sagen, ob sie in Wirklichkeit " natü rlich" oder " kü nstlich" sind. Zu dieser Frage meint W. Heisenberg, daß wir die Natur nicht mehr so erforschen, wie sie existiert; die von uns entdeckten Naturgesetze charakterisieren nicht Elementarpartikeln an sich, sondern unser Wissen ü ber sie.[83] Und tatsä chlich:

ein Physiker hat immer mehr mit einer Natur zu tun, die durch naturwissenschaftliche Experimente geschaffen worden ist; ä hnlich hat ein moderner Mensch in seiner praktischen Tä tigkeit hauptsä chlich nicht mit der " ersten", sondern mit der " zweiten" Natur zu tun.

Nun aber zurü ck zum Problem der Genesis der modernen Technik, Descartes hat die Prinzipien der von Galilei vorgeschlagenen wissenschaftlichen Methode vertieft und weiterentwickelt. Er stellte sich die Welt als ein kompliziertes System von Maschinen vor und brachtete die Bereiche des Natü rlichen und des Technischen, der Erkenntnis und der Konstruierung einander noch nä her. " Zwischen den mit den Hä nden von Meistern angefertigten Maschinen und verschiedenen Kö rpern, die durch die Natur allein geschaffen worden sind, fand ich nur den Unterschied, daß die Wirkung von Mechanismen ausschließ lich von der Beschaffenheit verschiedener Rohre, Federn und anderen Werkzeugen abhä ngt, die notwendigerseits eine gewisse Entsprechung zu den Hä nden aufweisen, die sie hergestellt haben, und immer so groß sind, daß ihre Figuren und Bewegungen mü helos gesehen werden kö nnen, wä hrend die Rohre und Federn, die die Wirkung natü rlicher Dinge auslö sen, ü blicherweise so klein sind, daß sie unseren Gefü hlen entgleiten. Dabei steht es auß er Zweifel, daß es in der Mechanik keine Regeln gibt, die zur Physik (deren Teil die Mechanik ist) nicht gehö ren wü rden; deshalb sind alle kü nstlichen Gegenstä nde zugleich auch natü rlich. Fü r eine Uhr ist es beispielsweise nicht weniger natü rlich, die Zeit mit Hilfe der einen oder anderen Rä derchen anzuzeigen, als fü r einen Baum, Frü chte zu tragen." [84] Fü r die Erkenntnis der Natur ist es - nach Descartes – erforderlich und ausreichend, wenn Effekte, die mit Hilfe eines vom Menschen konstruierten Mechanismus erreicht werden, mit Effekten identisch sind, die ein von Gott geschaffener Mechanismus, das heiß t eine Naturerscheinung, bewirkt. In seiner Person denkt der Naturforscher wiederum als ein Ingenieur.

Gerade deshalb wertet Descartes die Methode so stark auf, mit deren Hilfe nur, wie er ü berzeugt ist, die Erkenntnis und Bezwingung der Natur erreicht werden kann. Die Methode, wie sie der Gelehrte verstand, muß te die Erkenntnis in eine organisierte Tä tigkeit verwandeln, ja die Erkenntnis von jeglichen Zufä lligkeiten, von solchen subjektiven (und deshalb auch zufä lligen) Faktoren wie Beobachtungsgabe, scharfer Verstand, Erfolg und glü cklicher Zufall befreien. Bildlich gesprochen, muß te die Methode die wissenschaftliche Erkenntnis aus einem Gewerbe in eine Industrie, aus einer sporadischen und zufä lligen Gewinnung neuer Erkenntnisse in deren systematische und planmä ß ige Produktion verwandeln. Wissenschaftliche Kenntnisse, wie sie Descartes sehen wollte, sollten nicht einzelne Entdeckungen sein, die nach und nach zu einem gemeinsamen Naturbild zusammengefü gt werden, sondern die Schaffung eines allgemeinen Verstandnetzes, dessen einzelne Maschen sich mü helos fü llen lassen. Der Prozeß der Erkenntnis nimmt den Charakter einer Fließ bandlinie an, deren wichtigste Eigenschaften Kontinuierlichkeit, Messung und Geregeltheit sind.[85] Es muß eine Wissenschaft geben, die alles erklä rt, was zur Ordnung und Messung gehö rt. Descartes nennt sie die " allgemeine Wissenschaft" (mathesis universalis), stellt sie sich wie etwa Algebra vor und ist bemü ht, nach Mö glichkeit Arithmetik und Geometrie wie Algebra zu gestalten. Ü berhaupt ist Algebra fü r Descartes ein Muster der mathematischen Wissenschaft gerade deshalb, weil in ihr die Mathamatik maximal der Berechnung, der Technik des Rechnens, angeglichen ist, mit deren Hilfe sich jede Realitä t " berechnen" lä ß t. In einem gewissen Maß e ist es das Herangehen eines Ingenieurs, der in der Mathematik ein Mittel fü r die Berechnung von Maschinenteilen in erforderlichen Proportionen sieht.

Es muß festgestellt werden, daß die Descartesche Methode – ungeachtet des starken Einflusses ihres Schö pfers im 17. Jahrhundert - damals ihre vö llige Realisierung weder in der Wissenschaft noch in der Technik gefunden hat; die letztere verdankte bis zum 20, Jahrhundert ihre Entwicklung hauptsä chlich den begabten Erfindern wie etwa Alexander Bell oder Thomas Edison.[86] Das Ideal, von dem sich Descartes inspirieren ließ, begann - paradoxerweise -erst im 20, Jahrhundert Realitä t zu werden. Der deutsche Philosoph K. Hü bner, dem interessante Arbeiten ü ber Probleme der Technik zu verdanken sind, stellt fest: " … Sie (die Technik) will die methodische Erforschung des unendlichen Feldes technischer Mö glichkeiten, sie will bislang Unerforschtes Zug um Zug auskundschaften und Neues ausprobieren. Der Geist der Technik vergangener Zeiten zeigte davon keine Spur. Zwar ist sie auch heute noch vielfach gebunden an die Aufgaben, die ihr der Staat, die Gesellschaft, die Wirtschaft und so weiter stellen, aber das eigentlich Neue, sie wesentlich Prä gende ist doch die Dynamik ihrer freigewordenen Schö pferkraft. Diese Freiheit findet ihren reinsten Ausdruck in der Kybernetik, die ein allgemeines Begriffssystem fü r die Beschreibung technischer Gebilde und Verfahren bereitstellt." [87] Die von Descartes vorgeschlagene Methode der wissenschaftlich-technischen Konstruierung prä gt gerade jene Dynamik der Schö pferkraft der modernen Technik, von der K. Hü bner spricht.

Der heutige Erfinder muß wissenschaftlich gebildet sein. Die mathematische Naturkunde, mit der die Technik der neueren und - insbesondere - neuesten Zeit innerlich verknü pft ist, [88] gewä hrleistet sowohl deren hohe Prä zision als auch den ununterbrochenen Fortschritt im Bereich technischer Entdeckungen. Es wä re wohl besonders rechtmä ß ig, den Begriff des Fortschritts, der seit dem 17. Jahrhundert fü r das Selbstbewuß tsein eines neueropä ischen Menschen ausschlaggebend geworden ist, gerade auf das Gebiet der Technik anzuwenden; auf keinem anderen Gebiet kann dieser Begriff so begrü ndet angewandt werden. Davon zeugt nicht nur die ö kologische Katastrophe, dieses auffallende Produkt der industriellen Zivilistation, sondern auch die genetische Katastrophe, zu der der Verbrauch von tausenden neuen Chemikalien fü hren kann, deren Einwirkung auf den menschlichen Organismus heute noch nicht vorauszusehen ist. Auf der Hand liegt beispielsweise der phantastische Fortschritt auf dem Gebiet der Verkehrsmittel, der den Menschen alle Teile des des Erdballs leicht zugä nglich gemacht hat. Aber auch hier zieht die frü her unvorgesehene Gefahr von Weltseuchen herauf, weil sich die Menschheit aus der " ansä ssigen" Bevö lkerung in eine " Wanderbevö lkerung" verwandelt hat. Die beeindruckendste und aussichtsreichste Schö pfung der modernen Technik ist schließ lich der Computer, der ungeahnte neue Mö glichkeiten bietet, die es den Wissenschaftlern gestatten, von der kommenden postinudstriellen Zivilisation zu reden, die ebenfalls neue Gefahren heraufbeschwö rt. Zu ihnen gehö rt vor allem die Gefahr einer zuvor ungeahnten Zentralisierung der Informationen, was Voraussetzungen dafü r schafft, das Verhalten der Menschen durch den Staat so zu manipulieren, daß die dü stersten Prophezeiungen von Orwell und Haoksley bei weitem ü bertroffen sein wü rden.

Wir setzen heutzutage in unserem Land groß e Hoffnungen auf die Computerisierung, ohne die eine richtige Umgestaltung der Wirtschaft unmö glich wä re. Wichtig ist dabei, auf ü bertriebene Erwartungen zu verzichten, mit denen alle technischen Revolutionen einherschreiten. Der technische Fortschritt beschwö rt die Illusion der Allmacht, der grenzenlosen Mö glichkeiten des Menschen herauf, und diese Einstellung des Bewuß tseins wird nicht selten zur Quelle gefä hrlicher sozialer Utopien. Der moderne Mensch muß sich auf die - inzwischen vergessene - Binsenwahrheit besinnen: fü r alles, was ihm der Fortschritt der Technik bietet, muß er zahlen.

 

 






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