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Eine neue Wissensordnung fьr Osteuropa: Nur welche?






 

Welche Wissensordnung in Osteuropa gelten soll, das ist gleichzeitlich eine methodologische und auch eine soziale Frage. In RuЯland ist die alte Diskussion zwischen die " Westlern" und die " Slawophile" zu neuem Leben erwacht. Aber dies ist heute kein Streit unter Intellektuellen, wie es am Ende 19. und Anfang des 20. Jahrhundert der Fall war. Heute ist es eine Existenzfrage fьr die ganze Bevцlkerung. Sollen wir zurьck zu einer geschlossenen Gesellschaft des bьrokratischen Staatssozialismus, vielleicht in einer modernisierten Form zurьckkehren? Oder finden wir einen eigenen Weg zur sozialen Marktwirtschaft des westlichen demokratischen Typs? Es gibt natьrlich eine dritte Alternative, die bedeutet, RuЯland als das am weitesten entwickelte Land der sogenannten " dritten Welt" zu sehen. Aber das will in RuЯland niemand. So bedeutet die erste Alternative paradoxerweise fьr viele Leute der eigene, der russische Weg. Diese scheinen vergessen zu haben, daЯ die sozialistische Idee westliche Wurzeln hat. " Nicht dem russischen Volk gebьhrt die Ehre, den Kommunismus erfunden zu haben, es hat ihn aus dem Westen empfangen. Es gebьhrt ihm aber zweifellos die Ehre, den Kommunismus erstmals im Leben verwirklicht zu haben." [1] AuЯerdem hat RuЯland ihre Wahl schon seit Zeit des Peters des GroЯen getroffen und geht gemeinsam mit der ganzen Europa den Weg des sozialen und wissenschaftstechnischen Fortschritts. Wir kцnnen und mьssen sogar einen eigenen Weg finden, aber unter Berьcksichtigung der festgelegten durch die westliche demokratische Gesellschaft Rahmenbedingungen. In diesem Sinn ist die Frage nach der Wissensordnung fьr Osteuropa gleichzeitig eine soziale und politische Frage. Auch wenn einige Leute in RuЯland dies nicht einsehen wollen: wenn wir die westliche, demokratische Wissensordnung nicht ьbernehmen, kцnnen wir uns nicht als wirtschaftlicher Partner am internationalen, europдischen Markt teilnehmen. Im folgenden sollen zunдchst die sozialen Aspekte, die mit der Fragestellung verbunden sind, erцrtert werden. In einem zweiten Schritt werden wir dann auf die methodologischen Aspekte einzugehen.

 

1 Soziale Aspekte bei der Wahl der Wissensordnung

Mit Karl Popper kцnnen wir zwei Arten von Ordnungen unterscheiden: totalitдre und eine demokratische. Popper schreibt dazu: " Ich zweifle nicht daran, daЯ die Demokratie, an die der Westen glaubt, nicht anderes ist als ein Staatswesen, in dem die Macht in diesem Sinn beschrдnkt und kontrolliert ist. Denn die Demokratie... ist kein Staatsideal.... Fьr uns gibt es nur zwei Regierungsformen: solche, die es den Regierten mцglich machen, ihre Machthaber ohne BlutvergieЯen loszuwerden, und solche, die ihnen dies nicht mцglich machen oder nur durch BlutvergieЯen. Die erste dieser Regierungsformen nennen wir gewцhnlich Demokratie, die zweite Tyrannei oder Diktatur. Aber auf Namen kommt es hier nicht an, sondern nur auf die Sache" [2].

Die Abwesenheit von Ordnung bedeutet Unordnung. Wenn wir die stalinistische Zeit als totalitдre Ordnung und die heutige westliche Gesellschaft als demokratische Ordnung bezeichnen kцnnen, dann befindet sich Osteuropa (und vor allem die ehemaligen Republiken der Sowjet Union) z. Z. in einem Ьbergangsstadium zwischen totalitдrerem und demokratischem Ordnungsstadium, d. h. in Unordnung. Dieses Stadium wird oft als Ьbergangsperiode von zentralisiertem System zum Marktsystem bezeichnet.[3]

Hellmut Spinner unterscheidet fьr moderne Gesellschaften drei maЯgeblichen Ordnungen:

– " fьr die Rechtsordnung aus dem zumeist schon de jure zwingenden Charakter ihrer zum 'Gesetz' erhobenen Regelungen, hinter denen zu ihrer Durchsetzung das Gewaltmonopol des Staates und die flдchendeckende Infrastruktur des Gerichtswesens... steht;

– fьr die Wirtschaftsordnung aus der existentiellen Bedeutung der цkonomischen Lebensbedingungen und Vorhaltensanforderungen, die zu beachten fьr die meisten Menschen de facto unausweichlich ist, bei Strafe der Wohlstandsminderung oder gar Existenzgefдhrdung;

– fьr die Wissensordnung aus der Funktion des wissenschaftlich-technischen Fortschritts als wichtigster Produktivkraft sowie der auЯerwissenschaftlichen Information als Massenmedium der Kommunikation und Kontrolle, d.h. als Unterhaltungs– und Verwaltungsmittel".[4]

Hinsichtlich dieser drei Ordnungsbereiche – Rechtsordnung, Wirtschaftsordnung und Wissensordnung -, kцnnen wir die beide oben genannten Hauptstadien mit der heutigen Ьbergangsperiode in den GUS-Lдndern vergleichen, um die gegenwдrtige Situation besser zu erfassen und zu beschreiben.

 

1.1. Totalitдre Ordnung

1.1.1. Rechtsordnung

In totalitдren politischen Systeme herrschen Klassen-, Partei-, Gruppen– oder Personeninteressen statt Gesetzlichkeit. Zum Beispiel herrschten unter Lenin und Stalin die Willkьr der Partei, von Gruppen und einzelnen Personen. Die Verfassung und die Gesetze waren nur Worte. In der poststalinistischen Zeit wurde vom Wiederaufbau der sozialistischen Gesetzlichkeit gesprochen, aber dies war kein Wiederaufbau, sondern ein Versuch auf einer falschen, sozialen Basis eines pseudodemokratischen Rechtssystems aufzubauen. " Der zentralistische autoritдre Staat geht davon aus, daЯ die Mehrheit seiner Bьrger nicht in der Lage ist, verantwortlich zu denken und zu handeln, fьr sich selbst Sorge zu tragen und sich gegenьber der Gemeinschaft fцrderlich zu verhalten. Er bildet sich daher aus einer privilegierten Minderheit ein Fьhrungsgremium, der persцnliche Entscheidungen durch eine mцglichst umfassende Regelung aller „die Gemeinschaft» betreffenden Vorgдnge weitgehendes auszuschlieЯen versucht.... Der freiheitliche Staat sieht in seinen Bьrgern wьrdige und mьndige Menschen, deren Zusammenleben er durch Gesetzte und Vorschriften nur in solcher Weise regelt, wie die Individuen zur Regelung ihres Verhaltens in der Gemeinschaft nicht in der Lage sind. Er sorgt durch die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben fьr ein Umfeld, das die Freiheit des einzelnen schьtzt und die Begabung und Neigung des Individuums mцglichst frei entwickeln lдsst. Fьr Leistungsunfдhige oder Leistungsschwache ьbernimmt er dann Verantwortung, wenn Hilfe von anderer Seite nicht mцglich erscheint. Der demokratische Staat betдtigt sich wirtschaftlich selbst nicht, sondern sorgt fьr faire Wettbewerbsbedingungen. Er enthдlt sich entwicklungshemmender Regulierungen und versucht, ьberall, als auch bei sich selbst, Machtkonzentration in jeder Form zu verhindern." [5]

 

1.1.2 Wirtschaftsordnung

Die sogenannte sozialistische bzw. zentralistische Planwirtschaft ist eine Widerspiegelung des totalitдren politischen Systems im цkonomischen Bereich und nicht umgekehrt. Die totalitдre Planwirtschaft bedeutet nicht anderes als die Willkьr im цkonomischen Bereich. Schon der erste sogenannte " Fьnfjahres-Plan" war ein Akt der Gewaltanwendung im Bereich der Wirtschaft. Er war Produkt einer zwangslдufigen Entwicklung in der GroЯindustrie (insbesondere in der Militдrindustrie) auf Kosten der Landwirtschaft mit vielen menschlichen Opfern. Es lag keine vernьnftige Prognose zugrunde. Es war die Realisierung ein bцses ideologisches Mдrchen. Die Planung wurde nie vollstдndig realisiert, sondern nur auf dem Papier erledigt. Diese rigide Totalplanung " von oben nach unten" fьhrt nicht zum Wohl der Gesellschaft und ihrer Individuen, sondern zum Diktat des Erzeugers ьber die Konsumenten.

" Berьhmten Ingenieur der menschlichen Seele" und der " genialen Ingenieur des sozialistischen Aufbaus", Josef Stalin, war der Schцpfer des administrativen Kommandosystems in der UdSSR, das mittels hierarchischer Totalplanung und zentraler, nicht kontrollierbarer Manipulation die riesigen Ressourcen des Landes ausbeutete und die Arbeit sowie die Gedanken der Menschen kontrollierte – dies alles im Namen des sozialistischen Aufbaus. Ende der 20er Jahre formulierte die stalinistische Regierung in der UdSSR formulierte eine neue, ideologisch geprдgte Wirtschaftspolitik. Ihr Ziel war die Umerziehung, beziehungsweise: Umarbeitung, der Bьrger durch Zwangsarbeit in Konzentrationslagern. Das erste riesige " Sozialexperiment" in dieser Richtung war der Bau des Belomorbaltischen Kanals, des WeiЯmeerkanals. Es wurde zum Musterbeispiel fьr nutzlose Arbeit unter vielen Opfern. Hunderttausende sind dort gestorben. Es war ein riesiges Wirtschaftsunternehmen unter der Leitung der Geheimpolizei OGPU (der Vorgдnger der NKWD und KGB), rigide geplant und von dem neuen BewuЯtsein durchsetzt, aber unter " Verzicht" auf die Unterstьtzung der modernen Technik. Schaufeln, Hacken und Schubkarren waren die einzigen Werkzeuge. Wie ein Revolutionsdichter sagte: " Hier ist ein Symbol Stalinistischer Fьrsorge". Es war einer Idee Stalins, den WeiЯmeerkanal mit Hilfe von Gefangenen zu bauen. Dieses " Umschmieden" sollte helfen, " die bedingten Reflexe des Ingenieurs der kapitalistischen Epoche" zu ьberwinden. Die Terminplanung der kommunistischen Partei trieben die Ingenieure zu einer viel zu schnellen Arbeitsweise an. Sie und die Zwangsarbeitern arbeiteten unter unmenschlichen Bedingungen, in Gefдngnissen, ohne qualifizierte Mitarbeiter, mit einem Minimum an Werkstoffen und ohne eine durchdachten Projektplanung. Es gab keine Zeit fьr langes Ьberlegen. Der Produktionsplan der kommunistischen Partei war das hцchste Gesetz fьr alle Leute. Es gab zuerst am WeiЯmeerkanal und spдter in der ganzen Sowjetunion. Dieser gewaltsame technische und soziale Fortschritt war zutiefst inhuman und umweltfeindlich. Diese falschen Forschrittsvorstellungen herrschten zu Beginn dreiЯiger bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts in der Sowjetunion vor. Das war die Realisieren der sozialistischen Idee in der Wirklichkeit. Darьber bemerkt Karl Popper: "... Der marxistische Kommunismus ist das schrecklichste Beispiel eines solchen Versuches, den Himmel auf Erden zu verwirklichen: Es ist ein Experiment, von dem wir lernen, wie leicht die, die sich anmaЯen, den Himmel auf die Erden zu verwirklichen, die Hцlle verwirklichen kцnnen".[6]

Wenn wir die heutige Situation der russischen Gesellschaft und Wirtschaft besser verstehen mцchten, sollen wir ihre Geschichte berьcksichtigen.

" Russia's way differs greatly from those of other states with centralized systems. Capital to build modern industry was obtained like under a usual marked-based system – by robbing the people. Producers were alienated from the means of production proclaimed to be the 'property of the whole people'. In fact they became the property of a capitalized state where all decisions were made by a handful of 'leaders'. Industrialization was created out with the use of most advanced technologies. Soviet specialists were trained in Germany and the USA. Major enterprises were built mostly in old industrial regions where nature was deformed greatly. Developed were usually Russia's former outskirts – the emergent socialist republics. Economic growth (to catch up and pass the West!) became the main task. Communism was the ultimate goal but a closer and more realistic aim prompted by the idea of world revolution and hostile surrounding was to create a powerful military machine. During the Second World War industries were moved to old industrial areas east of the Ural, in Western Siberia and to Central Asia and Kazakhstan.

After the war a new stage of technological modernization began when whole factories were brought from defeated Germany. Huge investments were made in the development of new kinds of weaponry and the arms race began when military technologies were rapidly developed and an enormous military-industrial complex was established. All that was financed by keeping the people on the subsistence level.

Such situation could not last long in the conditions of peaceful coexistence to which all nuclear powers were doomed. Peaceful coexistence presupposed competition, and Nikita Khrushev and the Soviet leaders who followed him to raise the living standards and at the same time money to maintain the military machine. Natural resources were barbarically exploited for that purpose.

The campaign for developing virgin and fallow lands was followed by the efforts of cotton-growing base and then by the large-scale oil and gas production in Western Siberia. All those efforts, however, did not prove effective enough in competition with market based systems, and centralized systems were ousted and on their ruins states with transition economies appeared." [7]

Es ist unmцglich, alles " von oben" bis in die kleinsten Details vorauszusehen. Zentrale (und faktisch kontrolllose) Manipulation der riesigen Ressourcen (ohne Berьcksichtigung unabhдngiger Gutachten und der цffentlichen Meinung) ist nicht von Gewinn, sondern im Gegenteil, sie bringt die Natur, der Gesellschaft und der Menschen Schaden.

In der sozialistischen {oder besser gesagt: kommunistischen} Wirtschaftsordnung gaben es kein Privateigentum. Alles gehцrt allem, was bedeutet niemand, d. h. dem Staat. In der poststalinistischen Zeit erscheint einen neuen Begriff: " persцnliches Eigentum". Zum Beispiel gehцrt ein Privathaus mir persцnlich und ich kann dieses Haus erben, beerben und sogar verkaufen. Aber das Grundstьck, auf dem mein Haus steht, gehцrt dem Staat. Ohne Privateigentumrechts, mit niedrigem Arbeitsgehalt hatten die Menschen keinen Anreiz, mehr oder besser zu arbeiten. Wenn alles allen gehцrt, dann ist auch ein Diebstahl im eigenen Betrieb auch kein Diebstahl. Wenn ich den gleichen Gehalt fьr die gute oder schlechte Arbeit bekomme, macht es fьr den Einzelnen keinen Sinn hдrter zu arbeiten. Unter Stalin wurde dieses System deshalb durch den Zwang und die Angst " unterstьtzt". Aber unfreie (faktisch sklavische) Arbeit ist nicht nur unmoralisch, sondern auch ineffektiv. Die solchen цkonomischen Systemen konnten ohne Angst und Zwang wohl ьberhaupt nicht funktionieren. Das haben wir unter Breschnew dann gesehen.

 

1.1.2 Wissensordnung

Die Herrschaft der marxistisch-leninistischen Ideologie in allen geistigen Bereichen bedeutete die totale Kontrolle der Massenmedien und des privaten Lebens. Sie bedeutete keinen freien Zugriff auf Informationen und eine monologische Denkweise. Alles, was widerspricht diese Ideologie, muЯte vernichtet werden. Die poststalinistische Zeit wurde diese strengen Regeln gelockert. Unter dieser Voraussetzung konnte das totalitдr-sozialistische System von innen gesprengt werden. Der Meinungspluralismus war lebensgefдhrlich fьr das System. In solch einer totalitдren Gesellschaft bestimmt die Ideologie zudem die Wirtschaftsordnung. " Der Kommunismus wird von einem fundamentalen Widerspruch entzweit: Er begeistert die Menschen durch die Idee der universellen Umgestaltung der Welt, erzeugt ьbermenschliche Energien und erweckt Enthusiasmus; zugleich verwirklicht er aber ein graues und langweiliges irdisches Paradies, ein bьrokratisches Reich, in dem das ganze Leben bis in alle Einzelheiten rationalisiert, jedes Geheimnis zerstцrt ist und alle Perspektiven der Unendlichkeit abgeschnitten werden. Der Цkonomismus erweist sich als letztes Schicksal des Menschen, auЯerdem diesem gibt es ьberhaupt kein Leben, kein Sein mehr. Die groЯen Ideen von Gott und dem Menschen werden endgьltig ausgemerzt; mit ihnen fдllt der gesamte geistige Inhalt des menschlichen Lebens, es bleiben nur mehr Wirtschaft und Technik.

Es ist unmцglich, den Kommunismus zu verstehen, wenn man ihn nur als ein soziales System auffaЯt. Die Leidenschaftlichkeit der antireligiцsen Propaganda und der Religionsverfolgungen in SowjetruЯland kann man nur verstehen, wenn man den Kommunismus als eine Religion betrachtet, die das Christentum ablцsen und ersetzt will. Nur eine Religion und nicht irgendeine politische oder цkonomische Lehre kann den eigentьmlichen Anspruch erheben, alleiniger Trдger der absoluten Wahrheit zu sein".[8]

Ein totalitдres System kann natьrlich nicht nur eine marxistischen, sondern auch eine nationalistische Basis haben. " Man muЯ nicht der Totalitarismustheorie anhдngen und kann durchaus die strukturgeschichtliche Differenzierung zwischen autoritдrer, faschistischer, nationalistischer, stalinistischer und nachstalinistischer Herrschaft mit scharfen Akzenten verstehen, um gleichwohl im Spiegel westlicher Massendemokratien auch die Gemeinsamkeit totalitдrer Herrschaftsformen zu erkennen".[9]

 

1.2 Demokratische Ordnung

1.2.1 Rechtsordnung

In einer Demokratie herrscht Gesetzlichkeit in allen Lebensbereichen. " Das Rechtsprinzip des Grundgesetzes umfaЯt damit sowohl den Grundsatz der Rechtssicherheit als auch den der Gerechtigkeit... Demokratie wird... nicht als Identitдt von Regierenden und Regierten angesehen; eine Homogenitдt des Volkswillens entspricht nicht der Realitдt. Dagegen geht das Demokratieverstдndnis des Grundgesetzes davon aus, das in einer pluralistischen Gesellschaft verschiedene, gleichermaЯen legitime Interessen vorhanden und auch notwendig sind. Opposition gilt folglich als ein fundamentaler Bestandteil der Demokratie.... Ein Kernstьck der abwehrbereiten Demokratie ist vor allem der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.... Die Begriffsbestimmung der 'freiheitlichen demokratischen Grundordnung' hat keinesfalls bloЯ akademische Bedeutung: Liegt ein VerstoЯ gegen die Grundsдtze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vor, kцnnen Parteien und Verbдnde verboten werden und ist Bewerbern der Zugang zum цffentlichen Dienst zu verwehren.... Die Demokratie benцtigt den mьndigen Bьrger, der Engagement und Aktivitдt zeigt, sich an den Entscheidungsprozessen direkt beteiligt, um Selbstbestimmung zu erlangen und vordemokratische, vielfach noch autoritдre und herrschaftsverschleiernde Strukturen aufzubrechen – vor allem dann, wenn das Prinzip der unmittelbaren Entscheidung der Betroffenen stдrkere Berьcksichtigung findet. Herrschaft soll soweit wie mцglich abgebaut werden; ist sie unumgдnglich, hat sie sich demokratisch zu legitimieren".[10] Gesetzlichkeit darf nicht von einzelnen regierenden Personen, Gruppen oder Parteien verletzt werden. " Wie das Prinzip der Demokratie zielt auch der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit auf eine Form der Rationalisierung des Gesellschaftlichen Lebens mit den Mitteln der Norm. Auf der Grundlage der Gewaltenteilung wird die staatliche Allmacht in MaЯ und Form beschrдnkt. Es gilt der Primat des Rechtes, die Unparteilichkeit des Rechtes".[11]

 

1.2.2 Wirtschaftsordnung

In einer demokratischen Gesellschaft herrscht ein цkonomischer Pluralismus. Jeder kann produzieren und verkaufen, was er will. Aber anderen das kцnnen auch. Derjenige, der schneller und besser produziert (und Glьck hat), bekommt den Gewinn. Ebenso kann man auch Verlust erfahren. Die freie Konkurrenz ist das Gesetz und der Regulator des demokratischen Wirtschaftssystems, da sie die Produktion begrenzt und zugleich stimuliert. Ohne funktionierenden Wettbewerb gibt es keine Marktwirtschaft. Westliche Demokratien setzten auf ein soziales Marktwirtschaftssystem. Sie streben damit nicht nur nach Freiheit, sondern auch nach sozialer Sicherheit und Schutz fьr die Bevцlkerung. " Soziale Marktwirtschaft stellt sich der stдndigen Verpflichtung, unter sich wandelnden Bedingungen die Wirtschaft den Menschen dienstbar zu machen und zu verhindern, daЯ die Menschen zur bloЯen Funktion wirtschaftlichen Prozessen werden. Sie bietet auch die Mцglichkeit, diese Verpflichtung einzulцsen. Sie versteht sich als verbesserungsbedьrftig, und sie hat sich in der Vergangenheit als verbesserungsfдhig erwiesen".[12] Marktwirtschaft bedeutet eine Arbeitsteilung zwischen dem Staat und der Wirtschaft. Die Regierung entscheidet die Wirtschafts– und Steuerpolitik, vergibt Wirtschaftsfцrderungen, ьberwacht die Einhaltung der Wettbewerbsordnung, ьbernimmt die Wirtschafts– und Bewerbungskontrolle; und ьbergibt auch in dem Markt die wichtigsten fьr den Staat Vertrдge. Alles anderes reguliert in dem Marktsystem das Angebot und die Nachfrage. Sehr wichtig sind fьr eine Marktwirtschaft die Eigentumsverhдltnisse. Jeder kann Privateigentum besitzen, aber jeder muЯ auch fьr sein Privateigentum sorgen. " Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen" (Art. 14, 2 GG). " Die soziale Marktwirtschaft... basiert einerseits auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln und dem freien Wettbewerb der Anbieter. Der Preis soll sich am 'Markt' bilden und durch Angebot und Nachfrage regulieren. Anderseits wird das freie Spiel der Krдfte keineswegs verabsolutiert. In einem Gewissen Umfang sind цffentliche Eingriffe in die Wirtschaft notwendig, um das Ziel der sozialen Gerechtigkeit nicht zu gefдhrden".[13]

 

1.2.2 Wissensordnung

In einer modernen, demokratischen Gesellschaft herrscht eines realexistierenden Meinungspluralismus aufgrund des festgeschriebenen Rechts auf freien Zugang zur Information und der wirklichen Unabhдngigkeit und Freiheit der Massenmedien, welche auch hдufig als " vierte Macht" bezeichnet werden. " Demokratie wird nicht nur als ein mehrheitliches Abstimmen, sondern in erster Linie als eine Theorie zur Lцsung gesellschaftlicher Konflikte im Wege цffentlich kontrollierbarer Entscheidungsfindung verstanden".[14] Karl Popper berichtet ьber den Pluralismus weiter: " Ich kenne viele Menschen, die es als eine Schwдche des Westens ansehen, daЯ wir im Westen keine tragende, einheitliche Idee, keinen einheitlichen Glauben haben, den wir der kommunistischen Religion des Ostens stolz gegenьberstellen kцnnen.... Aber ich halte... [dies] fьr grundfalsch. Unser Stolz sollte es sein, daЯ wir nicht eine Idee haben, sondern viele Ideen, gute und schlechte; daЯ wir nicht einen Glauben haben, nicht eine Religion, sondern viele, gute und schlechte. Es ist ein Zeichen der ьberragenden Kraft des Westens das wir uns das leisten kцnnen. Die Einigung des Westens auf eine Idee, auf einen Glauben, auf eine Religion, wдre das Ende des Westens, unsere Kapitulation, unsere bedingungslose Unterwerfung unter die totalitдre Idee".[15]

Die demokratische Wissensordnung muЯ gesetzlich geschьtzt sein. Z. B. schьtzen das Patentrecht das geistige Eigentum des Erfinders. In einer demokratischen Gesellschaft ist der Erfinder der Eigentьmer seiner Erfindung, in einer totalitдren Gesellschaft ist der Staat der Eigentьmer aller Erfindungen. Ein anderes Beispiel ist das Datenschutzgesetz. " Zum Rechtsstaatsprinzip gehцrt auch der Datenschutz, der seit einigen Jahren im Mittelpunkt zahlreichen Diskussionen steht. Aufgrund der vorangeschrittenen Computerentwicklung kцnnen Informationen ьber Bьrger in Dateien zusammengefьhrt und gespeichert werden. Datenschutzbeauftragte des Bundes und der Lдnder ьberwachen die Einhaltung der Bestimmungen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit dem Urteil zur Volkszдhlung sogar vom Recht auf 'informationelle Selbstbestimmung' gesprochen. Zwischen den Erfordernissen des Staates (z. B. bei der Verbrechensbekдmpfung) und den Interessen des Bьrgers auf Schutz seiner Intimsphдre besteht ein Spannungsverhдltnis. Es bedarf jeweils einer angemessenen Gьterabwдgung".[16]

 

1.3 Die Ьbergangsperiode

Die Ьbergangsperiode, in der sich Osteuropa jetzt befindet, ist ein ProzeЯ der Umwandlung einer zentralverwalteten Planwirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft. Wenn wir jetzt die beiden obengenannten Ordnungssysteme vergleichen, so ist leicht zu verstehen, daЯ dieser Ьbergang nicht einfach ist und in keinen der drei Bereichen (Rechts-, Wirtschafts– und Wissensordnung) schmerzlos gehen kann. " Wenn die Entwicklung der beiden letzten Jahre eher zu vorsichtigem Optimismus AnlaЯ zu geben schien, zeigt eine aufmerksame Beobachtung der цffentlichen Meinung ein viel widersprьchlicheres Bild. Die Fortdauer dessen, was summarisch als „kollektivistische Psychologie» bezeichnet werden kцnnte, die den " Homo sowieticus" ausmachte, aber viel tiefer in der russischen Geschichte verwurzelt ist, bremst die vorbehaltlose Annahme einer pluralistischen Demokratie und einer Marktwirtschaft mit ihren Besonderheiten. Die mit dem demokratischen Ideal verbundenen Werte (Menschenrechte, Beschrдnkung der Staatsmacht, Meinungs-, Presse– und Unternehmensfreiheit etc.) finden zwar die Zustimmung der Mehrheit der Bevцlkerung, sind aber noch lдngst nicht wirklich verinnerlicht. Am deutlichsten ist das in der Wirtschaft. Die Mehrheit der цffentlichen Meinung spricht sich fьr Reformen aus, aber wenige sind wirklich bereit, die mit der Einfьhrung einer Marktwirtschaft verbundenen Schwierigkeiten auch sich zu nehmen. Die private Initiative entwickelt sich, aber nur langsam, wenn man die ungeheuren Mцglichkeiten des Landes berьcksichtigt".[17]

 

1.3.1 Rechtsordnung

Die Rechtsordnung der Ьbergangsperiode ist mit dem alten Rechtssystem, oder besser gesagt: dem unrechtlichen Staatssystem, noch stark verbunden, aber sie hat schon die neuen Rechtsstrukturen. Der von der Spitze der KPdSU eingeleiteter ReformprozeЯ hatte als ein Hauptziel der Verbesserung des sozialistischen Volkswirtschaftssystems, das immer schlechter geht. Ein radikaler Wandel zur Marktwirtschaft ist aber nicht mцglich ohne zugleich eine demokratischen Rechts– und Wissensordnung zu wдhlen. " GewiЯ, Dezentralisierung der Entscheidungen, besseres Management, mehr Know-how, grцЯere Flexibilitдt usw. – das alles ist wichtig. Aber Perestrojka mьЯte vor allem die Reform des politischen Systems betreffen, mьЯte heiЯen: das Ьbel an der Wurzel packen, an der bьrokratischen Herrschaft der Nomenklatura. Glasnost mьЯte wirklich etwas mit Transparenz und Цffentlichkeit zu tun haben, vor allem in Politischen, mьЯte heiЯen: Vitalisierung der Цffentlichkeit, Pluralisierung der Meinungsbildung, breite Partipation an den Entscheidungsprozessen, kurz: Entfesselung der Produktivkraft Kommunikation".[18] Dies bedeutete nur nicht nur die Verbesserungen bzw. Verдnderungen der bьrokratischen staatssozialistischen Rechtsordnung, sondern der Abbruch des Systems. Das wollte die real regierende Spitze der KPdSU jedoch nicht. Aber nur durch einen solchen Umbruch, und nicht Umbau (=Perestrojka), konnte man ein Mehr an Volkswirtschaft entwickeln und halten. " Es gab keine Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Rechtsprechung. Die Justiz war weisungsgebunden. Unabhдngige Medien bestanden nicht. Eine Zentralverwaltungswirtschaft mit dem Primat des Politischen ьber цkonomische Kriterien wurde eingefьhrt. Die Apparate der herrschenden Partei, der Sicherheitsorgane und der staatlichen Verwaltung arbeiteten nebeneinander und faktisch oft gegeneinander. Die Folge war sich stдndig weiter aufblechender Kontroll-, Verwaltungs– und Koordinierungsapparat".[19] Dieser Apparat wurde zu groЯ und zu teuer fьr die Gesellschaft. Der Wirtschaftssteuerungsteil des Staates (Ministerrat) war voll abhдngig von politischem Teil (Politbьro der KPdSU). Die bьrokratischen Staatsparteistrukturen muЯten aufgelцst werden und wurden auch aufgelцst, weil sie die neue Wirtschaftsentwicklung bremste. Wenn solche Parteistrukturen aber wirklich aufgelцst werden, dann kцnnen die sozialistische Volkswirtschaft und der Staat ьberhaupt nicht funktionieren. Die Staatspartei kontrollierte die reale Rechts-, Wirtschafts– und Wissensordnung und sorgte fьr ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Machtstrukturen in dem bьrokratischen Staatssozialismus. Z. Z. funktioniert die alte totalitдre Rechtsordnung schon nichts mehr, aber die neue demokratische Rechtsordnung noch nicht ganz gebaut. Dies zeigt sich im Wachstum der Kriminalitдt allgemein und insbesondere an dem AusmaЯ der organisierten Kriminalitдt in den GUS-Lдndern. Deshalb kцnnen wir diese Ьbergangsperiode von totalitдre zur demokratischen Ordnung als Unordnung bezeichnen.

 

1.3.2 Wirtschaftsordnung

Auch die Wirtschaftsordnung der Ьbergangsperiode kann man als Unordnung bezeichnen. Die sozialistische Volkswirtschaft mit ihrer Orientierung an den staatlichen GroЯbetrieben kannte {mit sehr wenigen Ausnahmen} nur Staatsbetriebe und Genossenschaften (Handwerk und Landwirtschaft). AuЯerdem war die Industrie fast voll militarisiert. " Der Staatsplan war Gesetz und politisches Programm, wirtschaftliche Effizienzerfordernisse traten dahinter zurьck.... Fьr die Konsumenten entstand insgesamt eine hцchst perfektionierte Mangelwirtschaft.... Die Beziehung zwischen Leistung und Einkommen waren allerdings gestцrt. Die kostenlose medizinische Versorgung, die preiswerten Plдtze in Kinderkrippen und Kindergдrten, billiges Wohnen, niedrige Tarife im Verkehr sowie fьr Energie und Wasser, kostenlose Fortbildung – all dies stellte sich vielen als „sozialistische Errungenschaften» dar, die sie gegen Mдngel des Systems aufrechneten. Als Nebenwirkung ergaben sich auf einzelnen Lebensgebieten eine Verschwendungswirtschaft (z.8. Brot, Energie, Wasser) und eine gedankenlose Anspruchshaltung an " die Gesellschaft" ".[20] Aber dies existiert jetzt plцtzlich nicht mehr. Fьr Wasser und Energie muЯ man immer mehr bezahlen. Das Brot und die цffentlichen Verkehrsmittel werden ebenfalls immer teuerer. Fьr eine gute Aus– und Weiterbildung muЯ man nun auch bezahlen. Es gibt zwar viele, aber sehr teuere Waren. Die Produktion und die Einkommen gehen zurьck. Die Produktionsbetriebe waren an die staatliche Unterstьtzung gewцhnt und orientierten sind an der Militдrproduktion. Wirtschaftlichkeit als цkonomischem Rationalitдtsprinzip wird sogar in den gut technisch ausgerьsteten Betrieben nicht berьcksichtigt. " Technische Entscheidungen unterliegen wegen der unaufhebbaren Knappheit der Ressourcen, die fьr Herstellung und Gebrauch technischer Systeme erforderlich sind (Material, Energie, Arbeitskraft, Produktionsmittel usw.), dem Gebot der Sparsamkeit".[21] Die GroЯbetriebe haben nie die Interessen der Konsumenten und Wohlstand der Bevцlkerung berьcksichtigt. " Wohlstand meint in diesem Zusammenhang das materielle Wohlergehen der Bevцlkerung und bedeutet mцglichst weitgehende Befriedigung menschlicher Bedьrfnisse durch Gьter und Dienstleistungen." [22] AuЯerdem sind diese Betriebe meistens noch nicht ganz privatisiert. Das Ziel der Ьbergangsperiode ist " Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermцgens so rasch und so breit wie mцglich durchzufьhren, Grund und Boden fьr die Wirtschaft bereitzustellen, damit die Wettbewerbsfдhigkeit der Unternehmen herzustellen und die Mцglichkeiten des modernen marktwirtschaftlichen Gesellschaftsrechts fьr Strukturanpassung und effizientes Wirtschaften voll zu nutzen".[23] Aber dieses Ziel ist z. Z. noch nicht erreicht. Wir haben noch keine Marktwirtschaft, weil auf dem inneren Markt noch kein richtiger Wettbewerb existiert. Die Massenproduktion der einzelnen Waren wird in dem Wirtschaftsraum der ehemaligen UdSSR hauptsдchlich von einem GroЯbetrieb beherrscht. Mittelstдndische und kleine Firmen konnten sich noch nicht auf dem Markt etablieren; und die Gewinne aus der Produktion sind zur Zeit minimal. Auf dem internationalen Markt sind unsere Produkte nicht konkurrenzfдhig, weil sie in dem geschlossenen Wirtschaftssystem des Staatssozialismus nicht selbststдndig von den Betrieben auf dem internationalen Markt angeboten werden, sondern durch staatliche Strukturen auf dem internationalen Markt kamen. Jetzt fehlt unseren Betrieben die nцtige Erfahrung auf dem internationalen Markt. Wenn Sie jetzt noch die bis dahin nicht bekannte Arbeitslosigkeit, die stдndig ansteigende Inflation und ungeheuren Zinsen fьr Bankkrediten hinzufьgen, dann bekommen Sie ein fast vollstдndiges Bild der Wirtschaftsunordnung in der Ьbergangsperiode.

Die folgende Charakteristik der Ьbergangsperiode in der ehemaligen DDR paЯt teilweise zu der aktuellen Situation in den GUS-Lдndern: " Die Ьbergangszeit zeigte und zeigt eindeutig, daЯ mindestens vorьbergehend besondere staatliche Rahmenbedingungen fьr ein Funktionieren der Sozialen Marktwirtschaft unerlдЯlich sind.... Viele Betriebe brachen zusammen, weil sie dem Wettbewerb des Weltmarktes ohne jede Anpassung und jeden Ьbergang ausgesetzt wurden.... AuЯerdem ist eine die erheblich geringere Arbeitsproduktivitдt nicht mit einem Schlag anzuheben. Dem Zusammenbruch oder der radikalen Verkleinerung der Zahl der Beschдftigen in den Betrieben folgt eine erhebliche Arbeitslosigkeit. Der Versuch, durch Kurzarbeiter gelungen eine gewisse Abfederung zu erreichen, kann nicht unbegrenzt weitergefьhrt werden. Die Kommunen haben wenig eigene Einnahmen... Fьr die meisten Menschen... ist die Erfahrung neu, daЯ man keine Arbeit finden kann, auch wenn man arbeitete mцchte.... Die Erhцhung von Preisen fьr Nahrungsmittel, Energie, Verkehr und... Mieten trifft vor allem Menschen mit geringem Erwerbseinkommen, Arbeitslose und Rentenempfдnger.... Ungeklдrte Eigentumsverhдltnisse behindern den Aufbau neuer Unternehmen oder den Einstieg in bisherige".[24]

In der totalitдren Wirtschaftsordnung des bьrokratischen Sozialismus herrschte ein kommando-administratives System. In der Ьbergangsperiode herrscht ein " ьber das Geldmedium gesteuertes цkonomisches System". Moderne Gesellschaften mit einer demokratischen Wirtschaftsordnung " differenzieren ein ьber das Geldmedium gesteuertes цkonomisches System auf der gleichen Ebene aus wie das administrative System – wie immer auch deren verschiedene Funktionen ergдnzend aufeinander bezogen sind; keines darf dem anderen subordiniert werden".[25] Auf die heutige Situation in RuЯland paЯt die folgende Beschreibung: " On the whole, centralized systems are being ousted peacefully, and there is hope that the process will continue to be peaceful. Market systems are just means of adapting basic principles of life to the existing civilization. No mathematical models or computer systems can establish prices and offset balances better than the free market. Abandonment of the free market means loss of accuracy and greater unproductive expenses. The biosphere can be said to be built on principles similar to those of the free market.

Russia came to the transition period with a structurally deformed industry whose absolute enterprises produce low-quality goods. The transition to be free prices, the cuts in subsides to unprofitable enterprises and also the reduction of the armed forces and arms production have resulted in an economic recession. Money is needed for a new sharp rise in production on the basis of advanced technologies, and Russia obtains the money like other countries do: by Iowering the living standards through higher prices, trade and fiscal machinations. The method works till the bulk of the population reaches the subsistence level. Then political difficulties usually occur and the domestic market shrinks to the minimum. In such conditions the government should do two things: stop the drop in the living standards and do it quick (any delay spells a turn back to centralization). That is precisely what is called " shock therapy". The sooner the ends the sooner investments in production begin and the living standards begin to rise. Under the pressure by the military-industrial lobby and other groups the former Supreme Soviet is doing its utmost to impede it. The reforms should be continued energetically and the state subsides to unprofitable or unnecessary enterprises should be stopped as they remind one of the labors of Sisyphus. Any delay is politically dangerous and increases inflation".[26]

 

1.3.3 Wissensordnung

Die Wissensordnung der Ьbergangsperiode kann man auch als Wissensunordnung bezeichnen.

Heute kommt langsam eine neue Denkweise in der Osteuropa. Sie umfaЯt:

– die Forderung nach allgemeinen Menschenrechten und persцnlicher Freiheit,

– den freuen Zugang zu Informationen sowie die Freiheit und Unabhдngigkeit der Massenmedien,

– Pluralismus und Dialogbereitschaft in der Begriffsstruktur der Wissenschaft, besonders in der Philosophie, Soziologie und politischen Wissenschaften,

– Marktwirtschaftliche Denkweisen in der Wirtschaft.

Karl Popper bemerkt, " daЯ die volle Gedankenfreiheit ohne politische Freiheit unmцglich ist.... Aber die politische Freiheit kann ihrerseits nur durch die Tradition gesichert werden, durch die traditionelle Bereitschaft, sie zu verteidigen, fьr sie Opfer zu bringen".[27]

Zu Sowjetzeit wurden unmenschliche sozial-цkonomische Strukturen geschaffen. Damit wird m. E. die Abschaffung dieser unmenschlichen Wirtschaftsstrukturen zum Hauptproblem den GUS-Lдndern. Aber ohne eine neue Grundidee (oder besser: ohne neue Ideen), ohne Verдnderung der eigenen Denkweise sind dies vцllig unmцglich. Es ist einer der grцЯten Irrtьmer des Marxismus, daЯ er stets eine Prioritдt des Materiellen vor dem Ideellen setzt. Ohne die Verдnderung unserer Denkweise ist die Verдnderung in der Wirtschaft unmцglich.

Es gibt zwar keinen ideologischen Druck mehr. Selbst die Kommunistische Partei existiert nicht mehr. Aber der Ьbergang zum Marktwirtschaft geht nicht so einfach. Die Menschen konnten ihre alte Denkweise nicht von heute auf morgen vollstдndig ablegen. Die Regierung selbst sucht auch nach neuen Grundideen fьr die neue Situation. Die alte marxistische Ideologie und Begriffstruktur herrschen nicht mehr. Aber: Welche ideologische Begrьndung kцnnen wir heute die kommunistische Idee entgegen setzen? In der multinationalen, russischen Gesellschaft mit ihren verschiedenen Religionsgemeinschaften kцnnen weder die nationale Idee, noch die orthodoxe Kirche eine solche Begrьndung geben. " Nicht die rationalen, objektiv-wissenschaftlichen Elemente des Marxismus, sondern seine mystischen und religiцsen Krдfte wirken im russischen Kommunismus." So schreibt in 1931 in Paris der berьhmte russische Philosoph Nikolai Berdjajev. " Die ausschlaggebende Bedeutung, die die Technik im Aufbau des kommunistischen RuЯland erhalten hat, wurde der industriell kapitalistischen Zivilisation entnommen und ist fьr eine Nachahmung Amerikas. Im Kommunismus jedoch bekommt die Begeisterung fьr die Technik einen unheilverkьndenden eschatologischen Charakter".[28]

Heute, in der neuen vormarktwirtschaftlichen Situation, finden wir praktisch ьberall in den allen Sozial– und Mentalstrukturen die Technokratische Denkweise. " Technokratie meint unter anderem eine autoritдr-administrativ geformte und verstanden Struktur politischer Systeme, in denen der fast mythisch artikulierte 'Sachzwang' Steuerung und Legitimation zugleich ist.... Die Totalitдt des technokratischen Staates vermag den Rechtswert nur noch in Funktionalitдten in bezug auf zu optimierende Wirtschafts– und Sozialmodelle zu erkennen".[29]

Sowohl die traditionelle ingenieurtechnische Tдtigkeit als auch die ingenieurtechnische Ausbildung waren (und sind) in hohem MaЯe an der Kultivierung eines technokratischen Denkens orientiert, auf die technokratische Einstellung des Menschen zur Umwelt und die Mitmenschen. Im Zusammenhang mit dem oben Gesagten ist jedoch zu betonen, daЯ ein Verzicht auf eine technische Einstellung zur Umwelt wohl nicht mцglich ist. Ohne eine solche wдre die Existenz der menschlichen Zivilisation ьberhaupt unmцglich. Vielmehr mьssen wir eine neue, humanere Form dieser Einstellung suchen. Eine Umorientierung des Ingenieurtechnischen Denkens sollte auch entsprechende Verдnderung der ingenieurtechnischen Ausbildung mit sich bringen. Unsere Ingenieure kцnnen zwar gut in der technischen Sphдre arbeiten, aber verstehen es noch nicht gut genug, ihre Entdeckungen, Erfindungen und Entwicklungen wirtschaftlich zu realisieren. " It is not enough to destroy old stereotypes or oppose the existing rules though it is evident that neither economic nor social rules correspond to the new realities.

New rules should be made and new thinking should be moulded. And that is that is most difficult task as the former doctrines, myths and religions which once promoted the stability of both society and the environment and still rule the minds of people have long since become items of misleading information.

Unfortunately, man differs from animals not only in that he can think but also in that he can perceive, create and reproduce incorrect information, believe in myths and illusions and, which is the main thing, act according to incorrect information. Our technogenic civilization is one of the illusions, as we believe that can everything. The priority of human rights is another such illusion. The expression «freedom of the individual» sounds beautiful and causes illusions especially when it is interpreted as «freedom from» rather than «freedom for» and does not imply responsibility to both present and future generations, to entire life materialized in our planet's biota".[30]

Vor allem muЯ sich die Vorstellung vom technischen Fortschritt дndern. Der unabhдngige Griff nach ultrarevolutionдren Verдnderungen kommt nicht in Frage, sondern die Erreichung und Wahrung eines stabilen Gleichgewichts (beispielsweise der Gesellschaft und des Menschen mit der Natur). Vorsichtigere, umsichtigere und besser durchdachte Handlungen sind ebenso gefragt wie die organische Einbettung des technischen Fortschritts in die Kulturtraditionen und den natьrlichen Lebensraum. Der russische Philosoph Sergej Bulgakow ruft in seinem Buch " Philosophie der Wirtschaft" (Moskau, 1912) mit Bitternis und Besorgnis aus: " Unsere Generation, die von dieser Weihung [gemeint ist die Schaffung einer kьnstlichen Welt – Anm. d. Verf.] erfaЯt ist, verwischt die jegliche Grenze bei der Definition der Mцglichen.... [Die] " Welt sei plastisch", kцnne auf verschiedene Art und Weise reproduziert werden... Wir leben unter dem Eindruck der wachenden Macht unserer Wirtschaft, die grenzlose Aussichten fьr das " Schaffen der Kultur" erцffnet".[31] Ein solcher Standpunkt eines Ingenieurs oder eines Projektanten unterscheidet sich grundsдtzlich vom Standpunkt eines mittelalterlichen Handwerkers, der um den Zusammenhang seine technischen Handlungen mit dem Weltall stets besorgt war. Er hat seine eigenen Handlungen in Wechselbeziehung mit dem kulturellen und natьrlichen Makrokosmos gebracht. Den heutigen Ingenieuren fehlt die цfteren solche Besorgnis.

AuЯerdem haben wir im Laufe der siebzigjдhrigen sozialistischen Geschichte nicht nur viel zerstцrt, sonder auch viel gebaut. Wir dьrfen nicht einen groЯen Fehler der Oktoberrevolution wiederholen. Wir sollten das Gute, das heute schon besteht, bewahren, altrussische gute Traditionen und Erfahrungen wiederbeleben, westliche Erfahrungen kritisch benutzen und dann neue zu bauen. WIR " werden insgesamt und einzeln dafьr verantwortlich gemacht, daЯ" WIR " einem ineffektiven wirtschaftlichen System gedient haben: Wer an seiner Lage selbst Schuld sei, mьsse sich auch durch eigene Anstrengung daraus befreien".[32]

 

2. Die Wissensordnung der Informationszeitalter – der methodologische Aspekt bei der Wahl der Wissensordnung

Was ist das Informationszeitalter? Was bringt uns eine Informationsgesellschaft am Guten oder am Schlechten? Ist dies ein Weg zur Demokratisierung der Gesellschaft oder zur Unterstьtzung des totalitдren Regimes? Diese und andere Fragen stehen immer in dem Zentrum der Diskussion ьber die Informationsgesellschaft. " Man prophezeit uns eine Informations– und Computergesellschaft, die durch die mikroelektronische Revolution zu dramatischen sozialen Дnderungen und Anpassungen, ja, sogar zu Wertwandlungen gezwungen sein wird".[33] Wir wollen uns hier jedoch nur mit den methodologischen Aspekten der Wissensordnung der Informationszeitalter beschдftigen. Eine Computerisierung der Unordnung ist unmцglich. Das bedeutet, daЯ wir im Informationszeitalter nur die Wahl zwischen zwei Alternativen haben: zwischen einer totalitдren und einer demokratischen Wissensordnung. Wir hoffen, daЯ die Gesellschaftsentwicklung zur Demokratie fьhrt.

 

1.4 Hauptbereiche der neuen Wissensordnung

Aus allen mцglichen nach Spinner Bereichen der neuen Wissensordnung[34] nehmen wir zur Betrachtung hauptsдchlich nur akademischen und technologischen Wissensordnung. Ьber цkonomischer Wissensordnung sagen wir nur ein paar Worte.

 

1.4.1 Die akademische Wissensordnung

Die Akademische Wissensordnung umfaЯt die Form der Verarbeitung und Erzeugung, der Theoretisierung und der Produktion des Wissens.[35] In einer totalitдren Ordnung sind die Forschung und Lehre stark ideologisch reglementiert. In einer demokratischen Ordnung herrschen freie Forschung und Lehre. Es gibt zwei Hauptweise der theoretischen Wissensorganisation in der modernen Forschung und Lehre – die monodisziplinдren und die interdisziplinдren Wissensordnungen. Die erste ist eher an einer monologischen, faktisch totalitдren Wissensorganisation orientiert, die zweite eher an einer pluralistischen, dialogischen und somit demokratischen Wissensorganisation.

In diesem Zusammenhang muЯ man zunдchst betont werden, daЯ die Disziplinaritдt der modernen Wissenschaft und Technik eine sehr wichtige Errungenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts ist. Weder die antike, noch die mittelalterliche Wissenschaft und Technik waren im Sinn des Wortes disziplinдr, wie ьbrigens auch die Wissenschaft der Neuzeit, obwohl sie schon nach der Disziplinaritдt strebte. Die Wissenschaft im Altertum war nicht nur nicht spezialisiert und disziplinдr, sondern auch noch nicht los gelцst von der Praxis und Technik. Ein wichtiger Schritt auf diesem Wege war die antike Revolution in der Wissenschaft, welche die theoretische Form der Erkenntnisse und der ErschlieЯung der Welt als selbstдndige Sphдre der menschlichen Tдtigkeit hervorbrachte. Aber diese antike Wissenschaft war noch keine disziplinдre, obwohl sie schon sehr weit entwickeltet war. Sie war komplex in ihrem Streben nach der maximal vollstдndigen Erfassung des theoretisch begriffenen Gegenstandes der wissenschaftlichen Forschung. Eine Spezialisierung ist jedoch kaum erkennbar und nahm auf jeden Fall keine disziplinдre Organisationsform an. Die Intention der allumfassenden komplexen Betrachtung des Forschungsgegenstandes, das Streben mцglichst vielseitiges Wissen ьber ihn zu bekommen, mцglicherweise sogar bei Verlust der Homogenitдt und des systematischen Charakters der Forschung ist noch bezeichnender fьr die mittelalterliche Wissenschaft und Technik, und auch noch fьr die Renaissance. In der Renaissance hat sich diese Intention im Ideal des in allen Bereichen bewanderten Wissenschaftlers und Ingenieurs ausgedrьckt, den ein enzyklopдdisches Wissen gezeichnete. In der Wissenschaft der Neuzeit kцnnen wir schon die Tendenz zur Spezialisierung und die Ausgliederung einzelner Aspekte und Seiten des Gegenstandes beobachten, die sowohl mit Hilfe experimenteller als auch mathematischer Mitteln systematisch untersucht wurden. Gleichzeitig entwickelt sich das Ideal der neuen Wissenschaft, nach den Ingenieuraufgaben mit theoretischen Mitteln gelцst werden kцnnen, und einer neuen, auf der Wissenschaft begrьndeter Technik. Und obwohl sie zuerst nur als Ideal existierte, hat gerade dieses Ideal zur Entwicklung der disziplinдren Organisation der Wissenschaft und Technik beigetragen. Im gesellschaftlichen Bereich war dies mit der Entstehung der Berufsbilder des Wissenschaftlers und des Ingenieurs sowie der Erhцhung ihres gesellschaftlichen Status verbunden. Die Spezialisierung und Professionalisierung in der Wissenschaft und Technik zusammen mit der gleichzeitigen Technisierung der Wissenschaft und Verwissenschaftlichung der Technik fьhrte zu der Entstehung einer Vielfalt von wissenschaftlichen und technischen Disziplinen, die im 19. und 20. Jahrhunderte das mehr oder weniger wohlgestaltete Gebдude der disziplinдren Wissenschaft und Technik bildeten. Dieser ProzeЯ war mit der Entwicklung der speziellen wissenschaftlichen Ausbildung und der auf Wissenschaft begrьndeten Ingenieurausbildung engst verbunden.

Die disziplinдre Wissenschaft hat heute eine tief differenzierte Struktur, die eine Menge von Disziplinen, Forschungsgebieten und Forschungsrichtungen enthдlt, in denen die konkreten professionellen Forschungen und Entwicklungen hauptsдchlich durchgefьhrt werden. Die Ingenieurtдtigkeit, die einen Impuls zur Entwicklung der disziplinдren Wissenschaft gab, wurde selbst spдter nach diesem Vorbild umgebaut. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Technikwissenschaften, die heute teilweise sogar die Form besonderer wissenschaftlich-technischer Disziplinen annehmen. Die Technikwissenschaften konzentrierten sich zunдchst auf die Anwendung der Ergebnisse von verschiedenen Naturwissenschaften auf bestimmte Klassen von Ingenieuraufgaben. In der Mitte des 20. Jahrhunderts entfernten sie sich von den Naturwissenschaften sowohl hinsichtlich der inneren Struktur als auch die disziplinдre Organisation. In letzten Jahrzehnten vollzogen sich in der Sphдre moderner Wissenschaft und Technik wesentliche Verдnderungen, die es uns gestatten, vom Werden einer qualitativ neuen, nicht-klassischen Etappe in deren Entwicklung zu sprechen. Neue Formen der Wissens– und Forschungsorganisation wurden entwickelt, welche die Effektivitдt der wissenschaftlichen Tдtigkeit und in sie einbezogenen Spezialisten aus den verschiedensten Bereichen steigern sollten. Die Besonderheit des nicht-klassischen Wegs besteht darin, daЯ im Prinzip fьr die Lцsung der komplexen wissenschaftlich-technischen (oder besser gesagt: praktischen) Probleme beliebige Theorien, Kenntnisse und Methoden herangezogen werden kцnnen. Die einzelnen Theorien, Methoden und Disziplinen werden dabei natьrlich entsprechend umgearbeitet und neu durchdacht. SchlieЯlich entwickeln sich neue spezifische Mitteln der Forschung, die uns unsere Aufgaben effektiv lцsen lassen. Dies bedeutete eine strengere Orientierung der modernen Wissenschaften auf die Lцsung verschiedener praktischer Probleme, in erster Linie auf Ingenieur– und Wirtschaftsprobleme. Gleichzeitig dringen ingenieurmдЯigen Methoden, Projekteinstellungen und methodische Projektverfahren immer tiefer und tiefer in der Sphдre der " reinen" Wissenschaft ein. Sie verдndern dabei die traditionellen Normen und die Wertorientierungen der wissenschaftlichen Forschung. Es hat sich ein ganzer Block neuer wissenschaftlich-technischer Disziplinen herausgebildet, der fьr die Lцsung ihrer spezifischen Probleme systemtheoretische Vorstellungen, Methoden und Begriffe verwenden. Solche neuen Disziplinen entsprechen oft nicht dem methodologischen Standard der klassischen Wissensordnung, was jedoch nicht bedeutet, daЯ sie keinen Anspruch auf den Status einer Wissenschaftsdisziplin hдtten. Es ist eher umgekehrt: Angesichte der neuen Erscheinungen in dem Tдtigkeitsfeld von Ingenieuren und Wissenschaftlern mьssen veraltete methodologische Vorstellungen modifiziert werden. " Hierzu ist eine Fцrderung interdisziplinдrere technikorientierter Wissensforschung nцtig".[36]

Gegenwдrtig entstehen vor allem an den Grenzen verschiedener Wissenschafts– und Technikeinrichtungen und verschiedener Projekte neue, produktive Ideen und Richtungen. Das Bestreben zur Interdisziplinдritдt ist ein wichtigstes Merkmal unserer Zeit. Die stдndige Diskussion ьber die Berechtigung, bestimmte Probleme zur Sprache zu bringen, sich der Geschichte der Wissenschaft, Kunst und Kultur zuzuwenden, um ihre Muster zu erkennen und deren Interpretation neu vorzunehmen sowie die methodologischen Grundlagen der Forschung zu analysieren, ist keine Folge der fehlenden Reife dieser Forschung, kein Anzeichen fьr das Zurьckbleiben hinter dem Ideal der Naturwissenschaft im engen Sinne dieses Wortes, als monologische Wissensordnung, sondern ein normaler und sogar notwendiger Zustand. Es ist ein deutliches Anzeichen fьr die Bestrebungen zur Demokratisierung und Pluralisierung der Wissensordnung in Forschung und Lehre.

 

1.4.2 Die technologische Wissensordnung

Die Wissensordnung der Technologie betrifft die Anwendung, Technisierung und Verwirklichung des Wissens.[37] Wir kцnnen hierbei zwei Haupteinrichtungen feststellen und vergleichen: die traditionelle Ingenieurprojektierung und die Systemprojektierung (Systems Design).[38]

Die Systemprojektierung hat nicht die Projektierung von technischen Objekten zum Gegenstand, sondern Systeme des menschlichen Handelns und dessen Steuerungssysteme (Organisationssysteme). Die Konstruktion, das Erfindungswesen und die Produktion in den Betrieben im klassischen Sinn verlieren hier ihren Sinn. An ihre Stelle tritt die Realisierung des Projekts, und die Projektierung wird mit der Reorganisation der Tдtigkeit eng verbunden. Bei der eigentlichen modernen Ingenieurtдtigkeit handelt es sich aber nicht nur um die Realisierung einzelner technischen Objekte, sondern auch um die Projektierung des gesamten Tдtigkeitssystems, in das sie einbezogen werden (Bedingungssystem, Steuerungssystem und Funktionsweise des Objekts), sowie um die Reorganisierung der Tдtigkeit selbst zur Schaffung eines komplizierten technischen Objekts, welches ohne die praktische Koordinierung der Tдtigkeit der Konstrukteure, welche die einzelnen Teilsysteme entwerfen, unmцglich ist. Deshalb wird eben nicht (wie traditionell) das technische Objekt zum Gegenstand der Komplexforschung, sondern ein qualitativ neues Objekt, das sich aus zwei Teilen zusammensetzt: Erstens die Forschung und Organisation der Tдtigkeit selbst, die auf die Entwicklung und das Funktionieren des komplizierten Systems (" Projektierung der Projektierung") abgezielt und zweitens handelt es sich um das vorgegebene Objekt, das nach seiner Schaffung nicht nur in die soziale Lebenswelt aufgenommen wird, um ein bestimmtes Bedьrfnis zu befriedigen, sondern auch um u. U. bestimmte Tдtigkeit ersetzt.

Die auf die Erschaffung von " Mensch-Maschine-Systemen" ausgerichtete Ingenieurtдtigkeit dient der Projektierung von Systemen. Sie entwickelt sich stдndig weiter, denn die Projektierung hцrt auch dann nicht auf, wenn das System bereits geschaffen ist. Da das System zudem veralten kann, bevor es vollstдndig realisiert wurde, muЯ das Projekt auch mцgliche, kьnftige Modifikationen dieses Systems vorsehen. Und da im Projekt eines solchen " Mensch-Maschine-Systems" nicht alle Parameter und Besonderheiten seines Funktionierens im Voraus berьcksichtigt werden kцnnen (man kann sie nur mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersagen) wird eine besondere Tдtigkeit erforderlich: die Korrektur der Projektlцsungen im ЬberleitungsprozeЯ und die Anpassung des Systems an verдnderte soziale, цkonomische, natьrliche, technische und andere Bedingungen. Wir haben es hier also nicht nur mit einem " Mensch-Maschine-System", sondern auch einem " Mensch-Maschine-Umwelt-System" zu tun. Die Umwelt wird dabei als das besondere Element des projektierenden Systems betrachtet. Es geht in diesem Falle weniger um eine erneute Projektierung, sondern um eine Entwicklung, welche auf die Vervollkommnung eines solchen Systems zielt, eines stufenweise Heranfьhren des Systems an den im Projekt angelegten Zustand. Dabei wird die Umwelt natьrlich auch zum Gegenstand der Projektierung.

Systemprojektierung ist eine Projektierung ohne Prototypen und deshalb auf die Realisierung des Ideellen ausgerichtet, welches sich im theoretischen oder methodologischen Bereich herausgebildet hat. In der Systemprojektierung dringen ebenfalls geisteswissenschaftliche Methoden der Erkenntnisgewinnung ein, welche sie radikal transformieren. Fьr die Systemprojektierung kennzeichnend ist die Hinwendung zum Dialog und die vergleichende Analyse alternativer Programme, Projekte und Plдne, die Orientierung nicht auf eine irgendeine einzelne Theorie, sondern auf eine solche Methodologie, welche die Einheit und gleichzeitig die Vielfдltigkeit der Betrachtung gewдhrleistet.

In der heutigen Zeit entwickelt sich ein neuer Stil des wissenschaftlich-ingenieurmдЯigen Denkens in Zusammenhang mit den verstдrkten Einflьssen der Wissenschaft auf alle Bereiche des цffentlichen Lebens. Die alte Werte der Wissenschafts– und Ingenieurtдtigkeit stehen im Widerspruch zur allgemeinen humanistischen Tendenz des sozialen Fortschritts. Die Systemprojektierung ьberschreitet die Grenzen des traditionellen Schemas " Wissenschaft – Technik – Produktion" und nimmt sich den sehr verschiedenartigen Bereichen der sozialen Praxis (z. B. der Ausbildung, des Konsums u. a.) an, in denen die klassische Ingenieureinstellung nicht mehr ausreicht und manchmal auch schon eine negative Bedeutung hat. Die Ьbertragung dieser Einstellung auf neue Bereiche (z. B. auf Soziotechnik – Projektierung von soziotechnischen Systemen – oder Biotechnologie) erzeugt viele neue soziale, sozialpsychologische, цkologische, wissenschafts– und ingenieurs-ethische u. a. Probleme; darunter auch das Problem der Prognostizierung der sozialen und psychologischen Konsequenzen der Wissenschafts– und Ingenieurtдtigkeit, die irreversibel sein kцnnen. Einerseits fьhrt dies zur Verwandlung der Systemprojektierung in eine sozitechnische Projektierung, anderseits folgt daraus die Notwendigkeit der sozial-humanen Expertise technischer Projekte, der Technikbewertung, der Technikfolgenabschдtzung und der Technikfolgenforschung. Damit steht diese Arbeit schon nicht mehr nur дuЯerlich in Beziehung zur Technik, sondern ist ein Bestandteil der Komplexforschung und Systemprojektierung.

Es geht um einerseits die Demokratisierung der modernen Projektierung in Richtung des Meinungspluralismus und anderseits um die demokratische Verwendung der Systemprojektierung. Es ist wichtig auf Technologien, welche autoritдre Strukturen unterstьtzen, zu verzichten. Anderseits geht es um so genanntes " participational design" in der soziotechnischen Projektierung mit dem Ziel der Demokratisierung technischer Entscheidungen.[39] " Wir glauben an die Demokratie nur in diesem nьchternen Sinn – als eine Staatsform des kleinsten Ьbels. So hat sie auch der Mann geschildert, der die Demokratie und den Westen gerettet hat. 'Die Demokratie ist schlechtesten aller Regierungsform", so sagte einst Winston Churchill, " ausgenommen alle anderen Regierungsformen" ".[40]

 

1.4.3 Die цkonomische Wissensordnung

Eine цkonomische Wissensordnung bedeutet die Verwaltung, Verteilung und Verfьgung des Wissens, oder anders gesagt: die Kommerzialisierung, Privatisierung und Nutzung des Wissens. Sie ist die Grundlage zur Schaffung einer demokratischen Wissensordnung. In einer totalitдren Ordnung wird das Wissen von oben nach unten verteilt. In einem demokratischen Marktsystem muЯ Wissen als Ware akzeptiert werden. Deshalb kommen der Werbung, dem Vertrieb von Innovationen, der Marktanalyse u. v. a. eine groЯe Bedeutung zu. Es ist nicht genug, neues Wissen nur zu produzieren und fьr die Technik zu verwerten. Entscheidend ist es die Erfindungen, Entdeckungen, Innovationen u.a. zu kommerzialisieren und sie so fьr die gesamte Bevцlkerung verfьgbar zu machen. Darin liegt das Endziel der Wissensproduktion in einer demokratischen Wissensordnung. " In der Цkonomischen Wissensordnung wird die Trennung von Erkenntnis und Eigentum aufgehoben, um einen Markt oder Planwirtschaft fьr Ideen einzufьhren, die nunmehr (Informations-)Gьter sind wie andere auch. Auslцsend dafьr ist die Kommerzialisierung von 'Wissensgьter', mit definierten und zum Zwecke ihrer цkonomischen Nutzung ausgeьbten Eigentumsrechten".[41] Diese Frage ist in RuЯland z. Z. ьberhaupt noch nicht geklдrt. Das alte Staatseigentumssystem an " Wissensgьtern" funktioniert teilweise nicht mehr, aber das neue ist auch noch nicht ganz aufgebaut.

 

1.5 Informatik und verwandte Informationswissenschaften als reprдsentatives Beispiel fьr moderne Wissenstechniken

Spinner bezeichnet dieses Bereich folgendermaЯen: " Im Netzwerk der mit dem Gegenstand der Wissensordnung – aber nicht mit dieser selbst – befaЯten Wissenschaften bildet die lnformatik inzwischen wohl den grцЯten Einzelknoten, mit Verzweigungen zu vielen weiteren Disziplinen, von den Kognitionswissenschaften mit herkцmmlich psychologischer oder zunehmend wissenstechnischer Ausrichtung bis zur systemorientierten Kybernetik, von den Gehirn– und Neurowissenschaften bis zu den Ingenieurwissenschaften, von den syntaktisch-statistischen, semantischen und pragmatischen lnformationstheorien bis zu den Bibliothekswissenschaften mit ihrer buchstдblichen 'Wissensordnung' fьr die Klassifikation von Bьcherbestanden.

Das sind die modernen lnformationswissenschaften, mit der Informatik als ihrem harten Kern... Die lnformationstechnik ist die erste, namengebende Durchbruchstechnik zum Informationszeitalter... Ausgangspunkt dieser Umwдlzung in der Rangordnung der wissenschaftlichen Disziplinen und Techniken war die elektronische Revolution (kurz 'EDV-Revolution' genannt). Dadurch wird nicht nur die bisherige Technisierung durch Wissen im grцЯten Stil weitergefьhrt, sondern eine umfassende Technisierung des Wissens selber eingeleitet".[42]

In RuЯland wird von allen methodologischen Problemen der Informatik der Bestimmung ihres Gegenstandes und der kьnstlichen Intelligenz (KI) die grцЯte Aufmerksamkeit geschenkt. Das Problem der Bestimmung des Gegenstandes der Informatik als einer besonderen Disziplin lenkt viel Aufmerksamkeit sowohl von Philosophen als auch von anderen Fachleuten auf sich. Dazu gibt es in unserer Literatur ein breites Spektrum von Meinungen. Die einen bezeichnen sie als eine fundamentale Naturwissenschaft, andere als eine komplexwissenschaftliche und technische Disziplin bzw. als eine moderne komplexwissenschaftstechnische Disziplin, wдhrend wieder andere meinen, daЯ es sich lediglich um eine neue Bezeichnung fьr die Kybernetik handele, wobei diese Bezeichnung nur deshalb benutzt werde, um den gesunden wissenschaftlich-technischen Kern herauszuarbeiten und sich von nebensдchlichen Gerede zu distanzieren. Jedenfalls stimmen alle darin ьberein, daЯ die Informatik ein komplexes Wissensbereich ist, und daЯ sich an ihrer Erforschung Kybernetiker und Logiker, Psychologen und Linguisten, Mathematiker usw. beteiligen sollen, daЯ hier nicht nur viele technische und mit Software verbundene Probleme, sondern auch linguistische, psychologische, methodologische, soziale und moralische Probleme entstehen. Das Schwergewicht wird in der Informatik auf die Erforschung der mit Software und Algorithmen verbundenen Aspekte der elektronischen Datenverarbeitung gelegt. Die folgenden Einsatzgebiete der EDV bilden den Gegenstand der Informatik:

– Informationssysteme und Kommunikationsmittel (einschlieЯlich der Informationssuch-, ‑ speicherungs– und -ьbermittlungsmittel sowie Mittel zur Informationsverarbeitung im EchtzeitmaЯstab, die hauptsдchlich im Wirtschafts-, in Bildungs– und Kultureinrichtungen eingesetzt werden),

– Automatisierungs– und Steuerungsmittel (automatische Steuerungssysteme, CAD/CAM-Systeme, Computersysteme in flexiblen automatisierten Fertigungssystemen und in der Robotik),

– Mittel zur mathematischen Modellierung und fьr rechnerunterstьtzte Experimente.

Es gibt auch den Vorschlag zwischen Informatik als Informationswissenschaft und Informatik als technischer Disziplin, sowie zwischen Kybernetik und Informatik zu unterscheiden. Die Kybernetik stellt eine Grundlagenwissenschaft zur Informationsverarbeitung zum Zweck der Steuerung dar, wдhrend die Informatik eine angewandte Wissenschaft sei. (Da die Anwendung auf Computern erfolgt, nennt man sie im angloamerikanischen Sprachraum auch " Computer Science"). Die beiden Disziplinen gleichen sich, insoweit es in beiden um den Computereinsatz zur Datenverarbeitung geht, jedoch fehlt in der Informatik die fьr die Kybernetik bedeutsame Steuerungskonzeption. Hinsichtlich die Kybernetik spielen Computer die gleiche Rolle, wie physikalische Gerдte in der Physik.

Die Informatik beeinfluЯt stark die gegenwдrtige Entwicklung anderer wissenschaftlicher und technischer Disziplinen. Sie verдndert die Natur der mathematischen Beweisfьhrung, den Gegenstand der Mathematik insgesamt, die moderne formale Logik, Linguistik, Psychologie, Systemtechnik, andere technische Wissenschaften, Technologien, Projek






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